Not his movie

Maria Schraders Drama „She Said“ über den Weinstein-Skandal

Schrader, She Said
She Said, 2022, Maria Schrader

Der Untergang von Harvey Weinstein wurde nun von Hollywood fiktionalisiert. Aber zum Glück geht es in Maria Schraders #MeToo-Drama She Said nicht um den Schurken der Geschichte, sondern um die unzähligen Frauen, die jahrzehntelang ungehört blieben. Der Film, der bei uns am 8. Dezember in die Kinos kommen soll, ist sehr diskret. Man sieht den Missbrauch nie. Vielmehr sehen wir Leerstellen: einen leeren Hotelkorridor; Damenunterwäsche auf dem Boden verstreut; eine Dusche, die im Badezimmer läuft. She Said bemüht sich, seine Opfer nicht erneut auszunutzen, indem sie (und wir) diese Momente nicht noch einmal erleben müssen. Wir sehen auch Harvey Weinsteins Gesicht nie, bekommen nur einmal seinen Rücken gezeigt und hören seine wütende Stimme am Telefon. Es ist, als würde Regisseurin Schrader sagen wollen: Das ist nicht sein Film. Er gehört nicht ihm. Er gehört all den Frauen, die er ihrer Stimmen beraubt hat.

She Said feierte fast genau fünf Jahre nach der Veröffentlichung jenes New York Times Artikels, der im Jahr 2017 alles veränderte, seine Weltpremiere beim New York Film Festival. Dass er dort uraufgeführt wurde, wo der ehemalige Filmmogul einst Stammgast war, machte den Abend natürlich besonders bedeutungsschwanger.

She Said, Maria Schrader

She Said beginnt nicht in New York City, sondern in Irland im Jahr 1992, wo eine junge Laura Madden auf ein Filmset von Miramax stolpert und einen Job annimmt. In der nächsten Szene läuft sie tränenüberströmt durch die Straßen. Später wird sie eine der ersten Frauen sein, die über ihre Erfahrungen mit Harvey Weinstein spricht, was zu einer der bewegendsten Szenen des Films führt. Aber im Grunde ist es ein hartgesottener, sehr sachlicher, potenter Zeitungsfilm über die beiden Journalistinnen Jodi Kantor (Zoe Kazan) und Megan Twohey (Carey Mulligan), die sehr viel telefonieren und Papierkram zu erledigen haben, wenn sie nicht auf ihre Kinder zu Hause aufpassen. Es ist ein klassischer Investigativjournalismus-Thriller wie Tom McCarthys preisgekröntes Drama Spotlight.

Wir wissen alle, wie die Geschichte ausgeht. Ich saß im Winter des Jahres 2020 im New Yorker Gerichtssaal, als der einst so erfolgreiche Filmproduzent zu 23 Jahren Haft verurteilt und in Handschellen abgeführt wurde. Warum Menschen die Dinge tun, die sie tun; was an der Verletzlichkeit und Macht eines Menschen in einer Beziehung kompliziert ist; was „Nein“ bedeutet; was Transaktionen zwischen Menschen sind; wie neue Zeiten Umstände verändern, die früher einmal vielleicht im Stillen als „normal“ akzeptiert wurden, nämlich die Erniedrigung von machtlosen Frauen durch übermächtige Männer – all das war Gegenstand dieses Prozesses, der die Art und Weise, wie die amerikanische Gesellschaft mit Sexualdelikten umgeht, veränderte. Vielleicht nicht so weitreichend, wie man sich das gewünscht hat, aber tiefgreifend.

Die Kritiken zum Film waren nicht ekstatisch, aber durchwegs gut. Adrian Horton vom Guardian schrieb von einem „sensiblen, emotional klugen Film“ und hat damit recht. Lovia Gyarkye vom Hollywood Reporter sah eine „solide Dramatisierung“.

Dabei ist es nicht einmal der beste #MeToo-Film des Jahres. Seine Diskretion ist wie gesagt insofern wertvoll, als She Said es vermeidet, die sexuellen Übergriffe reißerisch nachzuspielen. Maria Schrader will, dass wir wütend sind, aber was wir auf der Leinwand sehen, ist im Gegensatz zu den spannenden Debatten der acht geschwätzigen, wütenden Frauen in Sarah Polleys Women Talking (zu sehen bei der Viennale) ziemlich zurückhaltend. Wie man auch filmisch auf #MeToo antworten kann, das sieht man in Todd Fields Tár (kommt im nächsten Februar ins Kino) – mit der großartigen Cate Blanchett als erfolgreicher und dann gecancelter Dirigentin. Das sind beides interessante Filme. Was wir hingegen nicht brauchen, sind Filme, in denen #MeToo lediglich als Vehikel dient, um einen Markt abzuschöpfen. Und wer weiß, vielleicht bekommen wir in ein paar Jahren ein Weinstein-Biopic mit Brian Cox in der Hauptrolle, der dann den Oscar dafür abstaubt.

She Said war auch Gegenstand von Weinsteins aktuellem Prozess. Er steht derzeit in Los Angeles erneut wegen Vergewaltigung und sexueller Nötigung in elf Fällen vor Gericht. Seine Anwälte forderten eine Verschiebung des Prozesses wegen der Veröffentlichung von She Said und argumentierten, dass der Film die Geschworenen beeinflussen könnte. Der Antrag wurde abgelehnt. Harvey hat wieder einmal auf nicht schuldig plädiert. Der Mann hat einfach keinen Genierer.

Aber wir leben jetzt in einer Welt, die sich durch den einfachen Akt des Sprechens von Frauen verändert hat.