Ein befreundeter Hollywoodautor hat einmal gesagt: „Los Angeles is where the human experience goes to die.“ Es erinnerte mich an etwas, das Joan Didion in einem ihrer berühmten Essays, nämlich Hollywood: having fun geschrieben hat. „The place makes everyone a gambler“. Jeder wird zum Spieler.
Didion und ihr Ehemann John Gregory Dunne (1932–2003) hatten New York City verlassen, um im Westen als Drehbuchautoren ihr Glück zu versuchen. Die gebürtige Kalifornierin hat Hollywood besser verstanden als viele andere. Ihr Hollywood war kein mythisches Kalifornien, ein Land der Orangenhaine, des ewigen Sommers und der grenzenlosen Möglichkeiten. Sie wusste: Hier sterben Träume.
Didions Roman „Play It as It Lays“ (1970), eine bewegende Bestandsaufnahme über depressiven Nihilismus, zeigt Hollywood als rabiat und unfreundlich. Das Buch handelt von Maria, einer Schauspielerin in den Dreißigern, die von einer kleinen Stadt in Montana aus ihren Weg in die Welt der Filme gefunden hat, um schließlich völlig desillusioniert auf der kalifornischen Autobahn zu fahren, um ihre gescheiterte Ehe, eine Abtreibung und die psychische Erkrankung ihrer Tochter zu vergessen. Joan Didion sah Hollywood als eine geschlechtsungleiche Kultur: Frauen existieren so, wie Männer sie in der Erzählung erschaffen. In der 1972er Filmversion, inszeniert von Frank Perry, (man kann sie glücklicherweise auf YouTube sehen) spielen Tuesday Weld und Anthony Perkins die Hauptrollen.
1971 adaptierten Didion und ihr Mann mit The Panic in Needle Park den gleichnamigen Roman von James Mills, eine Liebesgeschichte in der New Yorker Drogenszene. Didion nannte es „Romeo und Julia auf Heroin“. Der Film im cinéma vérité-Stil ist ein eindringliches Meisterwerk über Sucht und den damit einhergehenden Verlust der Selbstachtung. Darüber wusste Didion schon in ihrem berühmten Essay On Self-Respect viel zu sagen.
Für ihre Performance in The Panic in Needle Park wurde Kitty Winn bei den Filmfestspielen von Cannes als beste Darstellerin ausgezeichnet. Es war auch Al Pacinos erste Hauptrolle und er ist brillant darin. Sein Kaugummi-Schmatzen, sein ausdrucksstarkes Gesicht, sein manchmal stummer und manchmal zärtlicher Charme, seine Wut, seine List – all das drückt sich in einer ebenso berührenden wie wahnsinnigen Darbietung aus. Francis Ford Coppola engagierte ihn daraufhin für The Godfather. Der Rest ist Filmgeschichte.
Das dritte gemeinsame Drehbuch von Didion und Dunne war ein Remake von A Star is Born (1976, Frank Pierson), ein Kino-Welthit mit Barbra Streisand als unbekannter Sängerin und Kris Kristofferson als verblassendem Rockstar, lange vor Lady Gaga und Bradley Cooper.
Mit ihrer eleganten Prosa hat Didion ganze Zeitgeister durchdrungen. In bahnbrechenden Essays richtete sie ihren kritischen Blick auf die Hippies von Kalifornien, auf die Filmindustrie oder auf die todesmutige Musik der Doors. Bestbekannt war sie als führende Vertreterin des New Journalism, die die Mythen der Traumfabrik freilegte, aber es gab eben auch eine andere Joan Didion, die Hollywood als Geldmaschine sah, die Dinner-Partys schmiss und auf solche ging, und die Aufträge annahm, um eine Krankenversicherung zu bekommen.
Es gab, so heißt es, nur einen Grund, warum Didion und Dunne sich verpflichteten, die Biografie der amerikanischen Moderatorin Jessica Savitch zu verfilmen, die 1983 bei einem Autounfall ums Leben gekommen war: Sie brauchten die Krankenversicherung der Writers Guild. Das Projekt erblickte schließlich 1996 als Up Close & Personal mit Robert Redford und Michelle Pfeiffer (und Celine Dions Because You Loved Me im Abspann) das Licht der Welt. Dunne, der acht Jahre lang mit seiner Frau am Drehbuch gearbeitet hatte, schrieb später ein berüchtigtes Buch mit dem Titel „Monster: Living Off the Big Screen“, in dem er seine schrecklichen Erfahrungen beschrieb. Nach 27 Entwürfen ging es nicht mehr um Jessica Savitch. Disney hatte alle Spuren von Savitchs Drogenkonsum, Scheidungen, Abtreibungen und Selbstmordversuchen entfernen lassen. Was übrig blieb, war eine alte Pygmalion-Geschichte des männlichen Mentors, der von seinem Starschüler (und seiner Frau) überschattet und damit vor die Türschwelle der Tragödie gebracht wird. Einen guten Effekt hatte der Film aber dann doch. Er inspirierte Will Ferrell, dessen eigenen Film über den Chauvinismus in der News-Branche zu drehen – Anchorman: The Legend of Ron Burgundy.
Fast fünfundzwanzig Jahre lang versuchte das Paar, Geld aus den Studios zu holen. Zusammen adaptierten sie auch einen Roman von Dunne, einen 1981 erschienenen Crime Noir, inspiriert vom Mord an Black Dahlia. Ein Jahr später spielten Robert Duvall und Robert De Niro ungleiche Brüder in True Confessions, Duvall einen zynischen Detektiv, De Niro einen römisch-katholischen Monsignore.
Ihre Namen sahen Didion und Dunne nur sechsmal im Kino. Einmal wurden sie auch gebeten, ein Drehbuch neu zu schreiben, das wahrscheinlich eine Wucht geworden wäre: eine Kombination aus Die Hard und Key Largo. Doch wie viele ihrer Projekte wurde auch dieses nie realisiert. Vielleicht wären die beiden als Drehbuchautoren erfolgreicher gewesen, hätte man ihnen die nötige Freiheit gegeben. Am Ende gingen sie zurück nach New York City. Auch wenn sie mit hohem Einsatz gespielt haben: Verloren haben sie nicht.
PS: 2017 drehte der Schauspieler Griffin Dunne für Netflix einen sehenswerten Dokumentarfilm über seine Tante: