Drachen im Anflug

HBO setzt alles auf Drachen. Kann „House of the Dragon“ dem Franchise Flügel verleihen?

house of the dragon, milly alcock
House of the Dragon, 2022–, Ryan J. Condal @ Ollie Upton/HBO

Nach tausendfach verbreiteter Meinung hat Emilia Clarkes Drachenmutter nicht nur King’s Landing in Schutt und Asche gelegt, sondern auch das Erbe der erfolgreichsten Serie in der Geschichte von HBO. Jene Fans, die von der letzten Staffel von Game of Thrones enttäuscht waren, haben sogar eine Petition unterschrieben, um einen Neudreh „mit kompetenten Autoren“ zu veranlassen. Es ist kaum möglich, einen virtuellen Stein ins Internet zu werfen, ohne einen Kommentar oder Artikel oder Blogeintrag zu treffen, der davon handelt, wie unverzeihlich das Finale von GoT war. Im Guardian zum Beispiel schrieb Sarah Hughes, dass die Serie „schnell aus dem kollektiven Gedächtnis verschwand“.

Mir scheint das etwas voreilig. Ich gebe offen zu, auch ich war enttäuscht. Niemand hat ein Happy End erwartet, aber wir wollten Drama, Verzweiflung und Leiden zum Ende dieser Serie. Was wir jedoch nicht erwartet hatten, war der völlige Tauchgang in den Nihilismus. Die Frau, die wir acht Jahre lang angefeuert hatten, Daenerys Targaryen, verfiel dem Wahnsinn, um dann von ihrem Neffen/Geliebten Jon Snow (Kit Harington) den Dolch in den Bauch gerammt zu bekommen. Der ging dann wandern mit Wildlingen. Arya Stark (Maisie Williams) beschloss, wirklich ohne Grund, Dora the Explorer zu werden. Ausgerechnet die langweiligste Figur von allen, Bran, der die großen Schlachten ausgesessen hatte, landete auf dem Eisernen Thron – einfach, weil Tyrion (Peter Dinklage) es vorschlug.

Aber hassen kann man ja nur, was man liebt. HBO hat sich von den negativen Reaktionen auf die letzte Season jedenfalls nicht abschrecken lassen. Zwar gab es Stolpersteine wie die verschrottete, 30 Millionen teure Prequel-Pilotfolge mit dem Arbeitstitel Bloodmoon. Doch kommenden Sonntag (bzw. wahlweise auf Deutsch oder im Original kommenden Montag exklusiv auf Sky) startet House of the Dragon, und zu behaupten, dass die Erwartungen hoch sind, wäre eine kolossale Untertreibung.

„Es steht viel auf dem Spiel für das erste „Thrones“-Spinoff, das nicht weniger als die Zukunft des Franchise bestimmen könnte“, schrieb die New York Times. „Die neuen Unternehmensoberherren von HBO, Führungskräfte von Discovery, haben eine erdrückende Schuldenlast von 53 Milliarden Dollar und sie haben nach Einsparungen gesucht – mit anderen Worten, die teuren „Thrones“-Spinoffs sollten sich besser auszahlen.“

House of the Dragon spielt fast 200 Jahre vor den Ereignissen von Game of Thrones. Die Serie folgt dem Haus Targaryen, der platinblonden, drachenliebenden Sippe, die Emilia Clarke in der Originalserie berühmt gemacht hat – bevor sie von „Breakers of Chains“ zu „Queen of Ashes“ mutierte. Mit angeblich siebzehn Drachen (GoT hatte nur drei), die in der ersten Season erscheinen werden, soll die ganze „Dance of the Dragons“-Geschichte von George R.R. Martins „Fire & Blood“ erzählt werden.

Die Drachen zählten mitunter zum Besten an Game of Thrones, darauf stützt HBO wohl seine Hoffnungen. Aber der Erfolgsdruck ist hoch: GoT mit einem Flop zu folgen, würde den US-Bezahlsender in eine noch größere existenzielle Krise stürzen. Über die vergleichsweise bescheidene Entwicklung der Produktionskosten pro Folge (trotz gestiegenen CGI-Aufwands) berichtete der Branchendienst Variety u.a., dass Amazons LOTR-Folgen im Schnitt das Dreifache verschlangen. Ein starker Start von HoD würde jedenfalls nicht nur garantieren, dass der Rest der Saga ins Fernsehen gebracht wird, sondern auch die anderen Spinoffs beflügeln. Neben House of the Dragon hat HBO nämlich mindestens fünf weitere „Thrones“-Projekte in petto.

Man vergisst leicht, dass die von D.B. Weiss und David Benioff kreierte Mutterserie das Fernsehen verändert und Fantasy quasi salonfähig gemacht hat. Immerhin haben vor gut drei Jahren fast 20 Millionen Zuschauer das Finale bei HBO gesehen (eine offizielle Zahl, welche die mannigfach anzunehmenden illegalen Downloads und Streams nicht miteinschließt). Es war bislang auch das letzte Mal, dass so viele Menschen zur gleichen Zeit das Gleiche im Fernsehen sahen, um am nächsten Tag darüber zu reden.

Aber die Konkurrenz hat in den vergangenen drei Jahren natürlich nicht geschlafen. Das Haus Bezos hat sein Geld angehäuft, um Fantasy-Spektakel wie The Wheel of Time und The Rings of Power für Amazon zu finanzieren. Ganz zu schweigen von neuen Streamingangeboten, die wie Schwammerl aus dem Boden sprossen, und dem Aufstieg des Hauses Disney/Marvel.

Ab 22. August wird man sehen, ob House of the Dragon zur Erlösung der letzten GoT-Saison führen wird. „Du kannst Thrones nicht folgen, es sind die Beatles“, sagte der Autor und Ko-Showrunner von HoD, Ryan Condal, schon einmal abwiegelnd in einem Interview mit dem Hollywood Reporter. Das könnte dann allerdings heißen, HoD verhält sich zu GoT wie Paul McCartneys Wings einst zu den Beatles. Das wäre für die Rettung von HBO mit Sicherheit zu wenig.