Die rote Pfingstrose

Der Animationsfilm „Turning Red“ findet eine witzige Metapher für die Menstruation – und löst eine Kontroverse aus.

Turning Red, 2022, Domee Shi

Ich habe nie gewusst, wie ich eine besonders starke Form des PMS beschreiben soll. Mit Turning Red gibt es nun etwas Konkretes, auf das ich mich beziehen kann – einen flauschigen roten Panda, der einige der entsprechenden Symptome wie Wut, Scham und Depression vollständig erlebt. Ich will damit nicht sagen, dass der Menstruationshorror von Stephen Kings Carrie keine (traumatisierende) Wirkung bei mir hatte, aber für einen Disneyfilm ist das schon ziemlich revolutionär.

Das Studio hatte 1946 einen Zehnminüter mit dem Titel The Story of Menstruation produziert und in Schulen ausgestrahlt. Aber abgesehen davon, dass dieser Kurzfilm wie ein ganz eigener Horrorfilm anmutet, hat niemand jemals daran gedacht, auf die hormonellen Veränderungen von Mulan oder Elsa in Frozen anzuspielen. Das hat vor allem auch damit zu tun, dass es im Hause Disney noch nie um Sex oder harte Fakten der Reproduktionsbiologie ging.

Nun ist kürzlich direkt auf Disney+ eher leise Turning Red erschienen, in dem die erste Periode ein Mädchen eben in einen roten Panda verwandelt. Ja, es ist genauso bizarr wie es klingt, aber es ist ein Pixar-Film. Der erste, bei dem ausschließlich eine Frau Regie führte, die chinesisch-kanadische Animatorin Domee Shi.

Über Nacht verwandelt sich ihr Kindheits-Ich, die dreizehnjährige Mei Lee, in einen fluffigen, roten Knäuel. Sie riecht plötzlich komisch. Überall sind Haare. Ihre Stimmungen schwanken. Sie kann ihre Gefühle nicht kontrollieren. Und es ist ein zutiefst großartiger Moment, wenn ihre Mutter zart an die Badezimmertür klopft und fragt: „Ist die rote Pfingstrose erblüht?“ Als Mei Lee, die sich als roter Panda hinter dem Duschvorhang versteckt, nicht antwortet, stürmt die besorgte Mutter ins Bad, voll bepackt mit Ibuprofen, Vitamin B, einer Wärmflasche und – Binden!

Im Allgemeinen wurde Turning Red hoch gelobt in den USA, seit er am 11. März erschienen ist, aber die Reaktionen der Eltern waren etwas stärker gemischt, von „unangemessen“ bis zu „befremdlich“. Trotz der zahlreichen Euphemismen, die es für das Wort „Periode“ gibt (das Wort wird im Film nie ausgesprochen), waren einige Eltern empört. Ein Elternteil twitterte: „Dieser Disney-Film ‚Turning Red‘ ist NICHT für Kinder geeignet.“

Im Gegenteil. Turning Red ist sogar SEHR für Kinder geeignet. Und es sollte viel mehr solcher Filme geben. Eben weil das Thema Periode mit so viel Scham verbunden ist, hat Domee Shi den Film gedreht. In einem Interview erklärte sie: „Dieser Film ist eigentlich für die 13-jährige Domee, die entsetzt in einem Badezimmer stand und dachte, sie hätte sich in die Hose gemacht. Und zu viel Angst hatte, es ihrer Mutter zu sagen, geschweige denn irgendjemand anderen zu fragen, was los war.“

Das Mädchen im Film wächst in der chinesischen Gemeinde von Toronto auf. Auf ihrer Familie liegt ein uralter, chinesischer Fluch bzw. Segen, weshalb sie sich in den roten Panda verwandelt. Diese kulturelle Besonderheit ärgerte einen amerikanischen Kritiker, dem es an universellen Themen mangelte. Sean O’Connell von CinemaBlend schrieb in seiner Rezension, dass es ihm nicht nur unmöglich war, sich mit den Teenagern von Turning Red zu identifizieren, sondern dass selbst der Versuch „ihn erschöpfte“. Diese Kritik wurde an verschiedenen Stellen zitiert und selbst so stark als rassistisch und sexistisch kritisiert, dass sie inzwischen unter Entschuldigungen entfernt wurde.

Die Drehbuchautorin Gennifer Hutchison (Breaking Bad) hatte in einem inzwischen gelöschten Account getwittert: „Ich bin es leid, dass Weiße (und viele Kerle) sich Filme und Serien über Menschen ansehen, die nicht weiß (und keine Kerle sind) und sagen: ‚Ich konnte mich einfach nicht damit anfreunden‘ (besonders wenn die Filme und Serien sich mit universellen Themen und Emotionen befassen). Es ist einfach eine riesige Enttäuschung.“

Die Kontroverse konzentrierte sich insbesondere auf die Vermischung von ethnischer Herkunft und Identitätspolitik, aber es fällt auf, wie manche Rezensenten einen Film über ein Mädchen nicht verstehen wollen, dessen rote Pfingstrose geblüht hat. Es geht hier wirklich um mehr als nur das. Es geht darum, was es bedeutet, durch dieses unmögliche Ding namens Pubertät zu gehen. Der Triumph und, ja, die Universalität von Turning Red besteht darin, dass es ein tabuisiertes Thema menschenfreundlich macht. Mädchen menstruieren. Egal welche Hautfarbe sie haben.