Critics Choice Awards

Michael Keaton dankt Präsident Selenskyj und Jane Campion entfacht einen Shitstorm.

Sluga Naroda / Diener des Volkes, 2015–2019, Wolodymyr Selenskyj

Die 27. Critics Choice Awards feierten vergangenen Sonntag das „Beste“ aus Film und Fernsehen mit einer Show, die tatsächlich live in Hollywood stattfand, ordentlich übertragen wurde und pünktlich endete (so mögen wir das). Skandale und politische Reden inklusive.

Der Kommentar des Abends kam von Michael Keaton, der den Preis als Bester Darsteller der Miniserie Dopesick entgegen nahm. Er liebe diese Jahreszeit, sagte der Schauspieler, weil er die „falsche Demut“ förmlich riechen kann, die während der Preisverleihungssaison allgegenwärtig ist (er hat nicht Unrecht). Er bedankte sich auch bei „seinem Schauspielkollegen Präsident Selenskyj“ – „kämpfe weiter!“. Was früher nur Eingeweihte wussten, mittlerweile aber allgemein bekannt ist: Bevor Wolodymyr Selenskyj ukrainischer Präsident wurde, machte er als Hofnarr in der TV-Serie Diener des Volkes Furore (die übrigens derzeit auf Arte.tv zu sehen ist und hinter deren Ausstrahlungsrechten die halbe Welt her ist). In der Serie spielt Selenskyj einen Geschichtslehrer, der zum Präsidenten aufsteigt.

Der Versuch der Critics Choice Association, die die Awards vergibt (und der auch diese Autorin angehört), ihre Show ins Beverly Hilton zu verlegen, war ein klarer Versuch, die Globes im Jahr 2022 zumindest symbolisch zu ersetzen. Die Taktik ging nicht auf, aber weil die Globes in diesem Jahr ziemlich ungeliebt über die Bühne gingen, haben die Critics Choice ein leicht erhöhtes Profil. Die Show ist kein Ranking-Hit, aber der Organisation wird im Allgemeinen mehr Glaubwürdigkeit eingeräumt und sie gilt als einer der besten Barometer für die Vorhersage der Oscars.

The Power of the Dog, das Drama über (toxische) Männlichkeit und amerikanische Mythenbildung, hat die höchste Auszeichnung bekommen und damit seinen Favoritenstatus als Oscar-Anwärter zementiert. Jane Campion stand am Sonntag zweimal auf dem Podium und erhielt sowohl die Preise für die Beste Regie als auch für den Besten Film. „Ich habe immer noch eine Posttraumatische Belastungsstörung von Kritikern, die bis in die frühen Jahre meiner Karriere zurückreichen – autsch, einige sehr tiefe Wunden“, witzelte die 67-jährige Campion. „Ich bin jetzt wie die Großmutter in der Frauenbewegung im Film!“

Es begann ziemlich harmlos. Dann wurde ihre Rede kontrovers, und das nur ein paar Tage nachdem sie wegen ihrer Reaktion auf Sam Elliotts Kritik (er nannte ihr Drama „a piece of shit“) an ihrem Film bereits viral geworden war. Sie applaudierte anderen Frauen im Raum, darunter Venus und Serena Williams. „Venus und Serena, ihr seid solche Wunder“, sagte sie, „allerdings müsst ihr nicht so wie ich gegen die Jungs spielen.“

Es war ein schlechter Scherz, der schnell einen Shitstorm auslöste für die Andeutung, dass ihre Probleme als weiße Frau in Hollywood größer seien als die der schwarzen Sportlerinnen. Campion erhielt lauten Jubel im Ballsaal, aber lautere Kritik im Internet, wo sie als „arrogant und ignorant“ und „rassistisch“ und „kleinlich“ bezeichnet wurde. Ihre Dankesrede hebe „die Probleme mit dem kniffligen weißen Feminismus hervor.“ Campion hat sich öffentlich bei den Tennisspielerinnen entschuldigt, aber es zeigt wieder mal, auf welches Minenfeld sich heute begibt, wer öffentlich einen undurchdachten Witz äußert – sogar als Feministin (dabei hatte Campion wohl nur gemeint, dass im Sport im Gegensatz zum Filmbusiness wenigstens klare Regeln gelten).

Auch für die Oscars ist Jane Campion nominiert und tritt erneut gegen Steven Spielberg (West Side Story) an. Als sie zuletzt 1994 gegen ihn antreten musste, war sie mit The Piano im Rennen, aber Spielberg gewann für Schindler’s List. Es sieht heuer vielversprechend für die Neuseeländerin aus.

Was ist noch passiert? Will Smith erhielt den Preis als Bester Hauptdarsteller in King Richard und bedankte sich taktisch klüger als Campion bei der Tennisfamilie: „Ihr alle definiert den American Dream.“ Jessica Chastain gewann für The Eyes of Tammy Faye. Sie ist jetzt die glasklare Favoritin auf einen Oscar. Und Halle Berry nahm den #SeeHer Award entgegen.

Als bester fremdsprachiger Film wurde verdientermaßen Ryūsuke Hamaguchis Drive My Car ausgezeichnet – wir vom filmfilter würden nicht anders urteilen. Das HBO-Drama Succession, das sich zu einer der berühmtesten Serien im Fernsehen entwickelt hat, wurde zur besten Dramaserie gekürt, während Squid Game, das erfolgreiche dystopische Drama von Netflix aus Südkorea, den Preis für die beste fremdsprachige Serie gewann (und Squid Game-Hauptdarsteller Lee Jung-jae schlug zwei Succession-Stars im Rennen um den Dramaserien-Schauspielpreis).

Wie bei den Independent Spirit Awards in der Vorwoche gab es auch bei den Critics Choice zahlreiche Moderator:innen, die über den Krieg in der Ukraine sprachen und ihre eigenen persönlichen Ansichten vor einem weitgehend gleichgesinnten, empfänglichen Publikum zum Ausdruck brachten. Billy Crystal erzählte davon, wie er als Kind in seinem Haushalt seine ersten Lacher von Verwandten bekam, die aus Russland, Odessa und Kiew geflohen waren, „um nach Amerika zu kommen, wo sie frei von Tyrannei leben konnten“. Wir können davon ausgehen, dass es am 27. März mehr davon geben wird.