Wir sollten reden

Neu im Kino KW 6 (DE)

soderbergh, magic mike‘s last dance
Magic Mike's Last Dance, 2023, Steven Soderbergh

„Magic Mike“ und andere letzte Tänze: Neue Filme von Soderbergh, Shyamalan und Sarah Polley kommen ins Kino.

Klassische Horrorgenre-Ausgangssituation: Eine Hütte im Wald, eine Kleinfamilie in den Ferien, dann kommen die Psychopathen, brechen die Tür auf und beginnen, Eltern und Kind zu traktieren. Knock at the Cabin, der neue Film von M. Night Shyamalan, nimmt die Genreprämisse und überführt sie in das religiös aufgeladene Filmuniversum des Regisseurs, der nach einer langen Reihe Flops seit Split wieder einen guten Lauf hat. Vier religiös Erweckte meinen, durch ein Opfer die Apokalypse abwenden zu können. Die Kleinfamilie – zwei Väter, eine Adoptivtochter – wehrt sich nach Kräften und kommt dann selbst ins Zweifeln. Der Shyamalan-typische Twist kann hier nur die Antwort auf die Frage sein, ob die Erzählung sich auf die Seite des Mythos oder die der kritischen Vernunft schlägt. Wie weit Shyamalan dabei von der Romanvorlage, Paul Tremblays „The Cabin at the End of the World“, abweicht, ist allerdings erstaunlich.

Sarah Polley arbeitet seit 2010 nicht mehr als Schauspielerin und ist schon 2007 hinter die Kamera gewechselt. Ihr 2011 erschienener Film Take this Waltz ist der vielleicht schönste Liebesfilm der Zehnerjahre, und der direkt im Anschluss gedrehte Stories We Tell gehört zu den schönsten Essayfilmen in der Geschichte des Kinos. Die Aussprache ist Polleys erster Film für die große Leinwand seit neun Jahren. Sein englischer Titel passt besser, weil er aufs Allgemeine zielt: Women Talking. Die Frauen, die hier miteinander sprechen, sind Mitglieder einer mennonitischen Gemeinde. Sie sprechen über die Gewalt, die ihnen von ihren und anderen Männern angetan wurde. Und darüber, was nun zu tun ist. Polley dekliniert am extremen Beispiel einer weitgehend isolierten religiösen Gemeinschaft elementare Fragen durch, die mit patriarchaler Gewalt verbunden sind. Unter anderem die Frage, ob man bleiben oder gehen soll (hier unsere Besprechung).

Vollkommen harmlos dagegen ist der Männerschicksalsfilm Der Geschmack der kleinen Dinge, in dem ein Sterne-Koch (Gérard Depardieu) nach einem Herzinfarkt Einkehr und Neubeginn in Japan sucht. Und außerdem die fünfte Geschmacksrichtung neben süß, sauer, salzig und bitter, die man in Japan umami nennt. Schon erstaunlich, dass die meisten Filme, die ihre Geschichte um das Sujet Essen herum bauen, fast automatisch betulich geraten; Das große Fressen einmal ausgenommen.

Steven Soderberghs Magic Mike war vor zehn Jahren ein Überraschungshit. Die Geschichte um einen Stripper (Channing Tatum), der versucht, seine bescheidenen Träume zu verwirklichen, fand 2012 eine Fortsetzung, bei der Soderbergh die Kamera und den Schnitt übernahm, aber nicht mehr die Regie. Beim dritten Teil, Magic Mike – The Last Dance, ist Soderbergh wieder Regisseur. Die Magic Mike-Filme sind interessant, weil sich in ihnen das klassische Hollywood-Hochglanz-Format mit einer Indie-Sensibilität verbindet, mit der Soderbergh hier im US-Kino eher selten diskutierte Fragen verhandelt: „I’ve always been interested in what people do to make a living. How do they make money? How do they pay rent? And that’s always been central to these movies.“

Mark Cousins‘ „The Story of Film“ ist eines der besten Bücher über Filmgeschichte, auch weil es eine so umfassende Geschichte wie möglich erzählt – mit notwendigen Auslassungen, aber auch mit einem Blick auf Ecken und Stränge, die ansonsten nur wenig Beachtung finden. Sein Buch „The Story of Looking“ richtet den Blick auf die andere Seite der Leinwand, auf die Geschichte der Art und Weise, in der wir in die Welt schauen. Der Film zum Buch kommt jetzt in die Kinos, und dass Cousins nicht nur ein brillanter Autor, sondern auch ein brillanter Filmemacher ist, hat sein Mehrteiler The Story of Film bereits gezeigt (hier ein damaliger Aufsatz dazu). The Story of Looking ist autobiografisch strukturiert. Cousins muss sich einer Augenoperation unterziehen. Am Tag vor der OP denkt er über das Sehen nach. Die Bilder, die er in seinem Filmessay montiert, beziehen sich auf Kunstgeschichte, Biologie, Neurowissenschaft, Psychologie, Poesie und Philosophie.

Der Kinderfilm der Woche: Maurice der Kater ist einer der seltenen Filme, die sich auf Terry Pratchetts „Scheibenwelt“ beziehen. Die Romanvorlage ist dann auch eine der familienfreundlicheren Geschichten Pratchetts: Der Kater Maurice zieht mit einer Gruppe Ratten und einem Jungen an der Flöte über die Dörfer und nimmt als angeblicher Rattenfänger die Bewohner aus. Mitgeschrieben hat Terry Rossio, der u.a. an Shrek mitgewirkt hat. Und auch Maurice der Kater ist eine vergnügliche, slapsticklastige Märchenparodie geworden.