Wiedergeburten und Weltuntergänge

Neu im Kino KW 49

Don't Look Up, 2021, Adam McKay

Spielberg und seine „West Side Story“. Dazu Filme von Adam McKay bzw. Doron und Yoav Paz und ein verfrühter Hinweis auf das gefühlt allwöchentliche Marvel-Spektakel. Ein selektiver Überblick.

Einer der größten Meister des intelligenten Spektakelfilms fabriziert ein Remake eines der größten Musical-Klassiker: Steven Spielberg hat West Side Story neu verfilmt, der selbst wiederum eine Art Remake ist von Shakespeares „Romeo and Juliet“ (1597), welches wiederum eine Art Remake von Teilen aus William Painters „Palace of Pleasure“ (1567) ist, welches sich wiederum ausgiebig bei „The Tragical History of Romeus and Juliet“ (1562) von Arthur Brooke bedient. Das als Hinweis darauf, dass der Boy-Meets-Girl-und-dann-dürfen-sie-nicht-beieinander-liegen-Plot die Zeiten überdauert und ungebrochen funktioniert. Gerade, wenn ihn ein Steven Spielberg wie in diesem Fall aus dem Jahr 1597 ins Jahr 2021 hinüberrettet.

West Side Story, 2021, Steven Spielberg

Don’t Look Up, der neue Film von Adam McKay, Regisseur der Anchorman-Filme, des lustigen Stepbrothers und des im direkten Vergleich leider seriös ausgefallenen The Big Short hat die, soweit ich sehe, erste stimmige, zeitgemäße Allegorie auf das vom Klimawandel beförderte Ende der Welt gedreht. Ausgehend vom denkbar einfachsten Bild: Ein Komet rast auf die Erde zu, in sechs Monaten wird alles vorbei sein. Zwei Wissenschaftler:innen (Jennifer Lawrence, Leonardo DiCaprio) versuchen, die Präsidentin zu warnen (in Hochform: Meryl Streep), aber niemand unternimmt was. Es gibt politisch und, nachdem die beiden zunehmend Verzweifelten eine eigene Kampagne starten, auch medial kein Durchkommen, weil alle Adressaten zu gierig, zu geltungssüchtig oder schlicht komplett bescheuert sind. Wer Don’t Look Up wegen des momentan bereits laufenden Untergangs der Welt, wie wir sie kannten, nicht in einem Kino sehen will, muss nur noch ein bisschen warten, am 24. Dezember startet der Film dann auch auf Netflix.

Jennifer Lawrence, Leonardo DiCaprio in Don’t Look Up

Eine Geschichte aus der Zeit nach dem Untergang der Welt: Plan A – Was würdest du tun? Erzählt von Nakam, was hebräisch „Rache“ bedeutet, einer Gruppe jüdisch-ukrainischer Partisaninnen und Partisanen. „Plan A“ meint die geplante Vergiftung des Trinkwassers in Hamburg, Frankfurt am Main, München und Nürnberg im Jahre 1945. August Diehl spielt Max, der von der jüdischen Brigade der britischen Armee, die nach der Befreiung Europas von den Deutschen Jagd auf Kriegsverbrecher machte, zur Nakam kommt. Das Bedürfnis nach Rache, für das man nicht allzu viel Empathie braucht, um es nachvollziehen zu können, ist hier, ausgehend von einer Kollektivschuld der Deutschen, umfassender: sechs Millionen tote Deutsche für sechs Millionen ermordete Juden.

Plan A – Was würdest du tun?, 2021, Doron Paz und Yoav Paz

Schließlich, man kann nicht früh genug davor warnen: Die gefühlt allwöchentliche Marvel-Produktion, welche kommende Woche anläuft, ist Spider-Man 3: No Way Home. In dieser Ausgabe des gefühlt fünften Reboots des Spiderman-Franchise wird, so formuliert es der sinistre Dr. Strange (Benedict Cumberbatch), an der „Stabilität der Raumzeit herumgepfuscht“. In der Post-Credit-Sequenz von Venom: Let There Be Carnage wird es bereits angedeutet, was dann passiert: Es grollt und donnert und rummst halt wie in den (nicht gefühlt, sondern tatsächlich) vorangegangen 26 Filmen des Marvel Cinematic Universe eben auch. Der Verdacht, dass hier nicht nur an der Raumzeit, sondern auch mit der Lebenszeit des Publikums herumgepfuscht wird, drängt sich in diesem Zusammenhang nicht zum ersten Mal auf.