Wahlberg oder die Berge

Neu im Kino KW 7

The Alpinist, 2021, Peter Mortimer, Nick Rosen

Lustiger Quatsch mit Tom Holland und Mark Wahlberg, Unterschiedliches aus den Bergen, Bekanntes aus der ostdeutschen Provinz und der seltene Fall einer gelungenen Demenz-Komödie.

Der Trailer enthält bereits die wahrscheinlich spektakulärste Szene: Tom Holland turnt auf Gepäckstücken rum, die aus einem Flugzeugladeraum in ein paar hundert Metern Höhe rausdonnern, dann knallt ihm noch ein Auto an die Rübe, und es geht ab in die Tiefe. Die Szene aus Uncharted interessiert sich nicht nur Null für irgendwelche physikalischen Gesetze, sie ist auch unübersehbar an Gaming-Ästhetik angelehnt. Und was völlig übertrieben ist, macht im besten Falle Spaß, wirkt dabei aber meist künstlich. Die von Holland und Wahlberg dargestellten Protagonisten im Film von Venom-Regisseur Ruben Fleischer hangeln sich diszipliniert an einem eher hauchdünnen Schatzsuchen-Plot von Spektakelsequenz zu Spektakelsequenz, oder auch von Level zu Level. Was nun alles auch nicht verwundert, schließlich ist dieser lustige Quatsch eine Computerspielverfilmung. „Wenn man mit der Legende Mark Wahlberg arbeitet, ist es wichtig, dass man im Fitnessstudio alles gibt“, hat Hauptdarsteller Tom Holland im Vorfeld erklärt. „Ich habe versucht, so viel Masse wie möglich aufzubauen und so viel Kraft wie möglich zu bewahren.“ Womit das filmästhetische Prinzip von Uncharted bereits recht komplett zusammengefasst wäre.

Holland und Wahlberg in allen Ehren, aber der 14-jährige Julius Weckauf spielt sie an die Wand. In dem sehr, sehr guten Hape-Kerkeling-Biopic Der Junge muss an die frische Luft war das schon beeindruckend, danach hat Weckauf leider in eher weniger gelungenen Produktionen mitgespielt. Der Pfad könnte da um einiges sehenswerter ausgefallen sein. Der Film von Tobias Wiemann (Amelie rennt) erzählt von einer Flucht über die Alpen im Jahre 1940. Rolf (Julius Weckauf) und sein Vater Ludwig Kirsch (Volker Bruch) versuchen, aus Frankreich heraus und über die Pyrenäen in die USA zu gelangen. Der Ton ist heiter, auch wenn Bedrückendes passiert, und in diesem Sinne ist Der Pfad zum einen ein kindgerechter Film, der eine Geschichte aus dem Nationalsozialismus erzählt, zum anderen schlicht ein Abenteuerfilm, der halt 1940 spielt.

Wir bleiben in den Bergen. Der Extremkletterer Marc-André Leclerc kraxelt ohne technische Hilfs- und Sicherungsmittel in ein paar hundert Metern herum. Der Regisseur Peter Mortimer (Durch die Wand) hat ihn dabei mit der Kamera begleitet und Begleiter und Kolleginnen interviewt. Der Alpinist ermöglicht einen Blick auf die Gebiete der Natur, die noch immer weitgehend Wildnis sind: karge Steilwände, an denen Menschen eigentlich nichts verloren haben. Der öffentlichkeitsscheue Leclerc ist viele von ihnen trotzdem rauf- und auch wieder runtergeklettert. Mortimers Dokumentarfilm bietet Einblick in eine besondere, risikoreiche Form der Weltflucht und präsentiert dabei wunderschöne Naturbilder.

Zurück auf den Boden: Gudrun (Corinna Harfouch) feiert ihren 60. Geburtstag, irgendwo in der ostdeutschen Provinz, in dem Waisenhaus, in dem sie selbst, ohne Eltern, aufgewachsen ist. Als sie erfährt, dass das Heim verkauft werden soll, geht sie auf die Barrikaden. Marie Schuberts Regiedebüt Das Mädchen mit den goldenen Händen will diese Geschichte über den Ausverkauf einer ganzen Region und über die Schwierigkeit, die eigene Geschichte loszulassen, als generalisierbare Erzählung über die Nachwendezeit verstehen. Damit erzählt der Film nichts prinzipiell Neues, hat aber ein gutes Gespür für die bleierne Atmosphäre der Jahre nach der Wiedervereinigung.

Ebenfalls um ihre Vergangenheit kämpft June (Noni Hazlehurst) in dem Film Noch einmal, June. Vor Jahren schon ist June nach einem Schlaganfall dement geworden. Nach fünf Jahren mit der Krankheit erlebt sie aber mit einem Mal wieder eine wache Phase. Was die Familie latent in Erklärungsnot bringt, schließlich hat sich Junes Sohn inzwischen scheiden lassen, und die Tochter hat ihr Haus verkauft. Noch einmal, June kann sich ganz auf seine schwerst sympathische Hauptfigur verlassen, wenn es an das ja nicht ganz unheikle Unterfangen geht, von einer schweren Demenzerkrankung in Form einer Komödie zu erzählen (dass man ein derartiges Unterfangen auch rigoros an die Wand fahren kann, hat zum Beispiel Til Schweiger mit seinem in fast jeder Hinsicht grausligen Honig im Kopf gezeigt). Die Klarheit im Kopf von June wird nur eine vorübergehende sein. In dieser kurzen Zeit feiert dieser kleine, aber feine australische Film das Leben.