Zwei gänzlich divergente Trauerspiele, „Wunderschön“, zwei leichte Kinderfilme. Ein selektiver Startüberblick.
Wenn es etwas gibt, auf das man sich in diesem Leben verlassen kann, dann ist es die konstante Belieferung des Berlinale-Wettbewerbs mit gesellschaftskritischen Filmen aus dem Iran. Ballade von der weißen Kuh von Behtash Sanaeeha und Maryam Moghaddam lief im letzten Jahr im Wettbewerb. Das bestimmende Moment ist hier die Ausweglosigkeit. Der Mann von Mina (gespielt von Maryam Moghaddam) ist zum Tode verurteilt worden, aber unschuldig, die Tochter ist taubstumm, Mina findet keine Wohnung. Das Ganze ist bedächtig gefilmt, die Atmosphäre drückend, in durchkomponierten Bildern. Wer Regimekritik im Arthaus-Modus sucht, wird nicht enttäuscht.
Ohne jeden Respekt vor dem Leben hingegen keult der ungewollt triste The Sadness drauflos. Ein Virus breitet sich in Taiwan aus, die Regierung spielt die Gefahr herunter, dann mutiert das Virus und mit ihm die Infizierten. Die nämlich werden zu gewaltgeilen Monstern, die ihre Opfer auf viehische Weise abschlachten. Das ist dann im Groben auch alles, was in The Sadness geschieht, und anders als grob kann und will dieser Film auch eh nicht sein. Bei der Werbekampagne hätte man gleich misstrauisch werden können. Wenn etwas vom Verleih sinngemäß als „brutalster Film aller Zeiten“ beworben wird, ist das – nicht zwangsläufig, aber häufig – Hinweis auf Ideenlosigkeit und/oder Doofheit. Die Aneinanderreihung von Blutmatsch-Szenen mag auf Menschen, die ansonsten keine Splatterfilme kennen, krass wirken. Wer zum Beispiel mit dem Horrorkino der Achtzigerjahre aufgewachsen ist und das alles dementsprechend nicht weiter aufregend findet, sieht in The Sadness vor allem durchkalkulierte Exploitation ohne Charme.
Besser: Wunderschön. Für eine deutsche Komödie ist der dritte Film von Karoline Herfurth, die auch eine der Hauptrollen spielt, mit über zwei Stunden Laufzeit ungewöhnlich lang, aber sein Thema ist auch ein eher schweres. Die lose verknüpften Episoden erzählen von den Selbstbildern und vom Körpergefühl von fünf Frauen in verschiedenen Lebensabschnitten. Obwohl, „Selbstbilder“ trifft es nicht. Es ist der Konflikt zwischen gesellschaftlichen Geschlechterbildern und den ihnen zugrunde liegenden sozialen Anforderungen zum Beispiel an junge Mütter und deren Bedürfnissen, die nicht darin aufgehen, sich um andere zu kümmern. Kümmern und Beziehungsarbeit werden in Herfurths Film realistischerweise den Frauen aufgebürdet: „Für Männer ändert sich durchs Kinderkriegen gar nichts, für Frauen alles.“ Weil das alles nur selten thesenhaft, sondern lebendig und plausibel und mit einer gewissen Leichtigkeit konstruiert und gespielt wird, lässt man sich das auch gerne 132 Minuten lang erzählen.
Nach Todesstrafe im Iran, mutierten Splatter-Idioten und Midlife-Crisis-Depressionen kann man dann auch mal wieder mit den Kindern ins Kino gehen. Der Trailer des französischen Animationsfilms In 80 Tagen um die Welt verspricht Sensation und Abenteuer: „Ein junges Pinselohräffchen träumt davon, die Welt zu erkunden“, und mit dieser Prämisse kann wahrscheinlich jeder Mensch zwischen sechs und zehn Jahren was anfangen. Phileas Fogg und Jean Passepartout aus der Romanvorlage von Jules Verne sind hier ein Affe und ein ungelenker Frosch. Der Comedian Gerry Swallow hat am Drehbuch mitgeschrieben, der hat auch maßgeblich an Ice Age 2 mitgewirkt, und das merkt man der Tonalität und dem Rhythmus von Samuel Tourneux’ Film auch an: schnell, witzig und im Zweifelsfall bald vergessen.
Und noch ein erbaulicher Kinderfilm zum Schluss: In Träume sind wie wilde Tiger will der zwölfjährige Ranji aus Mumbai sich bei einer Bollywood-Produktion bewerben. Der Traum zerplatzt vorerst, als seine Eltern beschließen, nach Deutschland auszuwandern. Dass Regisseur Lars Montag sich nach seinem sehr erwachsenen Film Einsamkeit und Sex und Mitleid an einem leichten Musical versucht, das mit allerlei Tanz und Gesang darauf insistiert, wie wichtig es ist, an den eigenen Träumen festzuhalten, das wirkt geradezu selbsttherapeutisch.