Filme von Paul Verhoeven, Paolo Sorrentino, Ridley Scott, Navot Papushado, dazu zwei mehr oder weniger weihnachtliche Weihnachtsfilme. Ein selektiver Überblick.
Der Dezember beginnt mit einem Film, der so unablässig Provokation schreit, dass man im Vorfeld schon etwas müde wird. Benedetta wirkt, als wäre die zugrundeliegende Idee von Regisseur Paul Verhoeven gewesen, so etwas wie einen idealtypischen Skandalfilm zu produzieren: lesbische Nonnen, Marienfiguren als Dildos, Blasphemie in allen Formen. Von all dem abgesehen ist Benedetta auch ein Pandemiefilm. Die junge Titel-Nonne (Virginie Efira) versucht die Pest von ihrer Stadt und ihrem Konvent fernzuhalten und verordnet als Seherin die Schließung der Stadttore. Die religiösen Autoritäten handeln wider jede Vernunft, wie es so ihre Art ist, marschieren in die Stadt ein und bringen den Bürgerinnen und Bürgern das Verderben. Und mittendrin dann halt lesbische Nonnen, man kann es sich ausmalen. Provozierend in einem engeren Sinn wirkt all das allerdings nur, wenn man die hier unternommenen Transgressionen auf den moralischen Konsens von, sagen wir, 1974 bezieht. Zieht man das Skandalnudelgetöse ab, könnten sich auch hier wieder mit der Zeit Subtilitäten und Mehrschichtiges zeigen; wie eigentlich immer bei Verhoeven, der seine Filme komplexer baut, als es auf den ersten Blick scheint.
Die Filme Paolo Sorrentinos gehören zum Schönsten, was im zeitgenössischen europäischen Kino zu finden ist. La Grande Bellezza und Ewige Jugend verbanden traumhafte Bildkompositionen und erzählerische Tiefe. Es gibt nur wenige Filmbilder im Moment, die so schön anzusehen sind, ohne dass sie dadurch überkomponiert oder angestrengt wirken würden. Die Hand Gottes / È stata la mano di Dio ist nun Paolo Sorrentinos erster unübersehbar autobiografischer Film, eine Coming-of-Age-Geschichte, die vom Verlust handelt. Die Eltern des 17-jährigen Fabietto (Filippo Scotti) kommen bei einem Unfall ums Leben, der Sohn flüchtet sich daraufhin in seine Phantasien und Diego-Maradona-Fantum. „Das ist eine sehr, sehr schmerzhafte Geschichte, die Erinnerung daran ist hart“, hat Paolo Sorrentino kürzlich erklärt. „Ja – am Anfang, da gab es fröhliche Phasen. Leider war das nur ein kurzer Teil meines Lebens.“ Die Filme Sorrentinos erzählen in einer Weise von der Schönheit der Welt, die nichts von ihrer Grausamkeit negiert.
Ebenfalls sehr schön anzusehen, vor allem wegen seiner Oberflächenreize, ist Ridley Scotts Dekadenzspektakel House of Gucci. Schöne Autos, schöne Sachen zum Anziehen, schreckliche Menschen, allen voran Patrizia Reggiani (Lady Gaga), die ihren Ehemann Maurizio Gucci (Adam Driver) nach der Scheidung umbringen lässt. Basierend auf einer wahren Geschichte, und Reggiani soll nicht zufrieden sein mit der Darstellung Lady Gagas, sondern verärgert. Sehr glücklich mit dem Film hingegen wird der Gucci-Konzern sein, der seit der Premiere sein Zeug besser verkauft als vor der Premiere. Der Spiegel hat kürzlich daran erinnert, dass Salma Hayek mit François-Henri Pinault verheiratet ist; und der wiederum ist Vorstandschef bei Kering, dem Mutterkonzern von Gucci. Jared Leto wiederum hat bereits für Gucci geworben. Hayek und Leto spielen in Ridley Scotts Film tragende Rollen.
Es ist nicht die geringste Eigenschaft des Genrekinos, dass es ihm gelingt, auch abstruseste Plots für zwei Stunden plausibel werden zu lassen. Man kennt die Gesetze des jeweiligen Genres, das in diesem Sinne tatsächlich eine Art eigene Welt bildet, die sich an die Plausibilitäten und Kausalitäten, die draußen gelten, nicht halten muss. Nur wenig wirkt freudloser als Kinogänger:innen, die einem nach dem Besuch von einem herrlichen Quatschfilm erklären, was in diesem Fall wieder „unrealistisch“ gewesen sei. Gunpowder Milkshake will es in dieser Hinsicht dann auch wirklich wissen: Sam (Karen Gillian) wurde, wie schon ihre Mutter, zur Auftragskillerin ausgebildet. Ein Auftrag läuft schief, und Sam muss sich um ein achtjähriges Mädchen (Chloe Coleman) kümmern, ihre ursprünglichen Auftraggeber an den Hacken. Gemeinsam mit Aharon Keshales hat Regisseur Navot Papushado 2010 Rabies gedreht, den soweit ich sehe ersten israelischen Slasherfilm, der war sehr lustig und gelungen.
Wir schließen mit zwei Weihnachtsfilmen, der erste für die Jüngsten. Clifford, der große rote Hund handelt von einem großen roten Hund, der das Herz am rechten Fleck hat und in New York ausbüchst. Das Filmposter suggeriert Weihnachtliches, was im Film selbst dann keine Rolle spielt, der spielt nicht mal im Winter, aber egal, vom ganzen Ansatz her ist dies ein Weihnachtsfilm: rührselig und erbaulich. „Menschen mögen einfach keine Dinge, die anders sind“, bekommt der rote Riesenhund erklärt, bevor dann doch noch alles gut wird.
In Toys of Terror zieht kurz vor Weihnachten eine Familie in ein abgelegenes Herrenhaus, in das niemand, der in seinem Leben auch nur einen Horrorfilm gesehen hat, einen Fuß setzen würde. Da sich Horrorfilmfiguren aber meist verhalten, als wären sie noch nie im Kino gewesen, verlässt die Familie nach der ersten Irritation nicht schreiend das Anwesen, sondern harrt aus, bis außer Heulen und Zähneklappern nicht mehr viel zu tun bleibt. Ein schöner Weihnachtsfilm, den man sehr gut zur Erholung schauen kann, wenn einen die Kinder zum Beispiel dazu gezwungen haben, Clifford, der große rote Hund mitanzusehen.