Märzengrund

Neu im Kino KW 33 (AT)

Märzengrund, 2022, Adrian Goiginger

Der Gesang der Flusskrebse klingt wuchtig, die Jagdsaison ist eröffnet und der „Märzengrund“ ist ein rauer und einsamer Ort – die Neustarts in Österreich. Von Benjamin Moldenhauer und Roman Scheiber.

Damit dieser Film floppt, müsste schon einiges passieren. Trotz andauernder Kinokrise und entsprechend leeren Sälen ist Where the Crawdads Sing / Der Gesang der Flusskrebse eine sichere Bank: eine Bestseller-Verfilmung, die Crime-Plot, Familiendrama, Romantik und Naturbilder miteinander verbindet. Viel näher als in solchen Fällen kann das Arthaus-Kino dem Blockbuster-Format nicht kommen. Der Plot der Romanvorlage von Delia Owens geht auch wirklich in die Vollen (und ihre eigenen Erfahrungen mit einem Mord trieben schon unschöne Boulevardblüten). Die von Daisy Edgar-Jones gespielte Kya wächst mit ihrer Familie in den Sümpfen von North Carolina auf. Der Vater trinkt und schlägt, erst verschwindet die Mutter, dann hauen die Geschwister ab, und am Ende auch er. Dann Liebesgeschichte, unglücklich, der Junge, der mit Kya eine Affäre hatte und sie angelogen hat, wird tot aufgefunden. Der Gesang der Flusskrebse wird von einer Coming-of-Age-Außenseitergeschichte zum Gerichtsthriller, alles immer eingefasst in wuchtige Naturmetaphorik, die in der Verfilmung von Olivia Newman (First Match) nicht ohne Kitsch über die Leinwand geht.

Entfernt verwandt ist das Einsiedler-Setup von Märzengrund. Hier wird die Hauptfigur allerdings nicht im Sumpf zurückgelassen, sondern zieht sich selbst von seiner Familie (und der ihm fremd vorkommenden Welt) auf den Berg zurück, statt den väterlichen Bauernhof zu übernehmen. Oberhalb der Baumgrenze sieht sich der Aussteiger den je nach Wetterlage wildromantischen oder überwältigend rauen Naturgewalten ausgesetzt und findet Freiheit. Basierend auf einem Theaterstück von Felix Mitterer, welches wiederum auf der wahren Geschichte des Zillertalers Simon Koch basiert, schreitet Adrian Goiginger sicher am Grat zwischen Zivilisationskritik und Einsiedler-Naturromantik entlang und legt nach seinem zurecht umjubelten Debüt Die beste aller Welten einen soliden Zweitfilm vor – Mitterer schrieb am Drehbuch mit. Der Sound am Berg ist fabelhaft (wie übrigens auch in Peter Brunners Luzifer) und drei Erzählzeitebenen sind geschickt ineinander montiert, was über die stereotype Gestaltung der meisten Nebenfiguren hinwegsehen lässt. Jakob Mader als junger Bauernsohn ist eine Entdeckung, Verena Altenberger ist erfreulicher Weise wieder mit von der Partie, und zumal in der zweiten Hälfte überzeugt Johannes Krisch als Bergfex zwischen Altersleiden, Verbohrung, wehmütiger Vorstellungskraft und Reue.

Eher robust ist der Humor von Jagdsaison. Eine deutsche Komödie, die versucht, an Judd Apatow anzuschließen. Das, weil deutsche Komödie nach 2010, Erwartbare –  Frauen auf einem Ferientrip, viel Saufen, viel untenrum, Beziehungsbohei et cetera – wird hier mit genauem Timing erzählt. Hauptdarstellerin Rosalie Thomass, die gemeinsam mit Regisseur Aron Lehmann und Lea Schmidbauer das Drehbuch geschrieben hat, arbeitet recht erfolgreich daran, die deutsche, latent überdrehte Kristen Wiig zu werden.

Zum Schluss der Kinderfilm. Eine Klassenfahrt auf Amrum im Ausnahmezustand: Mitschülerinnen verschwinden, Lotta ist verliebt, Cliquen-Kabbeleien, und der Vater nervt als Begleitperson. Mein Lotta-Leben 2 – Alles Tschaka mit Alpaka hat eine selbstbewusste und angemessen entnervte pubertierende Hauptfigur (Meggy Marie Hussong), während die übrigen Figuren immer wieder sehr klischiert daherkommen (der verliebte französische Mitschüler, die Barbie-Clique). Wenn man sich aber darauf eingestellt hat, dass das anvisierte Publikum hier wohl etwas jünger sein soll als die Figuren – also jünger als 12, 13 Jahre –, ist das ein allemal gelungener Kinderfilm.