Gedämpfte Strahlkraft

Neu im Kino KW 36 (AT)

Ayub, Sonne
Sonne, 2022, Kurdwin Ayub

Der Start von „Sonne“ steht unter keinem guten Stern. Dazu ein spätes Horror-Prequel, alle für Ella und „More Fun Stuff“: die gefilterten AT-Kinostarts der Woche von Benjamin Moldenhauer und Roman Scheiber.

Die Vorwürfe gegen Ulrich Seidl (der aktuelle Stand laut orf.at) kommen für seine Produktionsfirma zur Unzeit: Seidls neuer Film Sparta wird nun nicht beim Toronto Filmfestival vorgestellt. Überdies dämpfen die Anschuldigungen, die beteiligten Kinder und deren Eltern über das Pädophilie-Thema des Films nicht ausreichend informiert zu haben, die Vorfreude auf ein anderes Werk aus dem Hause Seidl. Weder Sonne noch Regisseurin Kurdwin Ayub haben das verdient. Sonne, das Langfilmdebüt der Performance- und Videokünstlerin Ayub, welchem Mond und Sterne folgen sollen, empfehlen wir uneingeschränkt. Nicht nur muslimischen Schülerinnen, die gern „Losing My Religion“ von R.E.M. ins Mikro trällern, sondern allen Menschen, die an kraftvollen Coming-of-Age-Filmen bzw. Migrationsfragen und Medienpolitik interessiert sind. Oder wie es die Diagonale ausgedrückt hat: „Für bestehende Fans von Kurdwin Ayub ist Sonne wohl ein erstes Best-of, für Neugierige die Einladung, eine neue Handschrift im österreichischen Film kennenzulernen, für ihre Kritiker:innen die notwendige nächste Provokation.“ Dem ist wenig hinzuzufügen, außer der Hinweis, dass wir Ayub in unserem Podcast zu Gast hatten und ein vielsagendes Gespräch mit ihr geführt haben. (rs)

Cédric Klapischs Film Das Leben ist ein Tanz indes wirkt wie eine massive Anballung von First-World-Problemen. Die Ballett-Tänzerin Elise (gespielt von der Ballerina Marion Barbeau) verletzt sich auf der Bühne. Es folgen zwei Jahre Selbstfindungsprozess, der im Wesentlichen geprägt ist von der erzählerischen Idee, dass die Menschen einander wohlgesonnen sind und gemeinsam hoffen und für ihr Glück kämpfen. Ein idealer, komplett widerstandbefreiter Film, in dem, von der Knöchelverletzung zu Beginn einmal abgesehen, nichts wehtun soll.

Zur Erholung kann man sich dann zum Beispiel Orphan: First Kill anschauen. Das späte Prequel zu dem 2009 erschienenen Orphan, der für einen Hochglanzhorrorfilm recht grimmig ausfiel, fackelt nicht lange und orgelt routiniert auf der Family-Horror-Klaviatur herum. Leena (Isabelle Fuhrmann) sieht aus wie zehn, ist aber tatsächlich schon über dreißig Jahre alt. Sie flieht aus einer geschlossenen Anstalt in Estland und gibt sich in den USA als die Tochter eines Ehepaares aus, dessen eigenes Kind Jahre zuvor verschwunden ist. Die ersten Leichen lassen nicht lange auf sich warten. Wenn man diese etwas hanebüchene Plotprämisse einmal hingenommen hat, kann man sich über eine gute Stunde Kinderterror freuen, mit vielen souverän inszenierten Standardsituationen. Orphan 2 erfindet nichts neu, hat aber Spaß mit seiner psychotischen Figur.

Match me if you can (nicht zu verwechseln mit einer titelgleichen, doch anders gelagerten US-Produktion) ist eine „Dating-App-Komödie“ von und mit Nina Hartmann, matcht aber das filmfilter-profil nicht. Dann lieber diese Doublette: Spider-Man: No Way Home, der letzte und tatsächlich überraschend gelungene Spider-Man-Film, kommt noch einmal in einer More Fun Stuff Version in die Kinos, und dauert jetzt 157 Minuten. Was auch nur neun Minuten mehr sind als die erste Kinoversion, aber egal, der Film wird sein Publikum finden, da muss man sich keine Sorgen machen.

Und zum Schluss der Kinder-, naja, eigentlich Jugendfilm. In Alle für Ella will die Titelheldin (Lina Marissa Strahl) mit ihrer Band mit dem sehr guten Namen Virginia Woolfpack einen Song-Wettbewerb gewinnen. Es passiert das Erwartbare, was in so einem Coming-of-Age-Setting halt passieren muss: Ärger mit der Liebe, Konflikte mit den Freundinnen, Stress an der Schule. Das alles flott und hektisch geschnitten wegerzählt (hier der Trailer). Außerdem spielt Milan Peschel einen Musiklehrer mit dem ebenfalls sehr guten Namen Herr Böblinger-Moll.