Bis dass der Tod uns scheidet

Neu im Kino KW 34 (AT)

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Die Känguru-Verschwörung, 2022, Marc-Uwe Kling

Känguru-Verschwörung, Einladung nach Alcarràs oder ins Alptraum-Anwesen und ein gnadenloser Jäger, der kein Hai ist. Die Kino-Neustarts in Österreich, gefiltert von Benjamin Moldenhauer und Alexandra Seitz.

Das Känguru ist der vielleicht einzige anarchistische Volksheld, den die jüngere deutsche Literaturgeschichte kennt. Allseits beliebt, also weitgehend zumindest, und das obwohl linksradikal und mit der Begabung gesegnet, ideologischen Unsinn durch schlichte satirische Überspitzung kenntlich zu machen. Allein so ein Dialog: „’Ob Links- oder Rechtsterrorismus – da sehe ich keinen Unterschied‘. ‚Doch, doch‘, ruft das Känguru, ‚die einen zünden Ausländer an, die anderen Autos. Und Autos sind schlimmer, denn es hätte meines sein können. Ausländer besitze ich keine.’“ Ein Auto besitzt das Känguru, ungebetener Mitbewohner und also Mietnomade, allerdings auch nicht, aber egal. Jedenfalls ist sowas mitunter klärender als so mancher Antirassismus-Workshop. Beim zweiten Känguru-Film, Die Känguru-Verschwörung, hat Marc-Uwe Kling, der Autor der Buchvorlage, zum ersten Mal selbst Regie geführt. Und er hat den Job auch nicht schlechter gemacht als Dani Levy beim recht vergnüglichen Vorgänger. Dieses Mal stehen Verschwörungstheoretiker im Zentrum. Das Känguru (gesprochen von Kling) und der verkrachte Kleinkünstler Marc-Uwe (Dimitrij Schaad) fahren aus eher verwickelten Gründen zur Conspiracy Convention in Bielefeld und geraten dort mit dem Verschwörungstheoretiker Adam Krieger (Benno Fürmann) aneinander. Filmisch ist das alles nicht aufregend, aber nach den Chroniken ist auch die Känguru-Verschwörung wieder sehr lustig, und mit dem Herz am rechten, also linken Fleck.

(Zu Alcarràs schrieb Alexandra Seitz zum deutschen Kinostart:)

Heimliches Highlight der Woche ist der diesjährige Gewinner des goldenen Berlinale-Bären: Alcarràs von Carla Simón schildert das wahrscheinlich letzte Jahr jener Pfirsichplantage, die Familie Solés im titelgebenden kleinen Ort in Katalonien unterhält. Die Bäume sollen Solarpaneelen weichen, denn die Landwirtschaft wirft nicht mehr genug ab, jedenfalls nicht für Familienbetriebe.

Am Beispiel eines Drei-Generationen-Bauernhaushalts in Alcarràs, der sich mit dem Ende seiner traditionellen Lebensweise konfrontiert sieht, dröselt Simón einige grundsätzliche Probleme der spanischen Gegenwartsgesellschaft auf: das nach wie vor quasi-feudalistische System von Großgrundbesitzern und pachtenden Kleinbauern; die skandalöse Agrarpolitik, die mit Dumping-Preisen kleinen Betrieben das Überleben unmöglich macht; Solarpaneele, die Kulturlandschaften vernichten; Familienbande, die den rasanten Veränderungen nicht mehr standhalten. Und wie schon für ihr Debüt Sommer 1993 (ausgezeichnet bei der Berlinale 2017) greift die katalonische Regisseurin auch für ihren zweiten Langfilm auf autobiografische Erfahrungen zurück: In Alcarràs bauen ihre Onkel Pfirsiche an und pflegt die große Sippe der Simóns sich sommers und zur Weihnachtszeit zusammenzufinden.

Und wenngleich auch nicht mit Mitgliedern der eigenen Familie besetzt, so sind es doch Laien-Darsteller:innen, die dem Leben der Solés und der Arbeit auf der Finca die authentische Anmutung verleihen. Dergestalt, dass nachzuvollziehen leicht fällt, was hier eigentlich auf dem Spiel steht, und dass kein Goldener Bär dieser Welt diesen Verlust in Alcarràs jemals wird wett machen können; es will einem schier das Herz zerreißen.

Es folgt was Rustikales, Der weiße Hai übertragen in ein Savannen-Setting. Und weil es in der Savanne wenig Wasser gibt, wird der Fisch in diesem Fall durch einen von Wilderern traumatisierten Löwen ersetzt, der Jagd auf einen Vater (Idris Elba) und seine beiden Töchter (Iyana Halley und Leah Jeffries) macht. Beast – Jäger ohne Gnade fackelt nicht lange, ist spannend, schnell vergessen und hilft, die Zeit bis zum nächsten Predator-Film zu überbrücken (hier der offizielle Trailer).

Eine weitere sehr effektive Aneinanderreihung von Horrorfilm-Standardsituationen bietet The Invitation, der in Österreich und Deutschland mit dem schon sagenhaft uninspirierten Untertitel Bis dass der Tod uns scheidet in die Kinos kommt. Das Regiedebüt der Drehbuchautorin Jessica M. Thompson ist eine klassisch strukturierte Be-careful-what-you-wish-for-Geschichte: Evies Mutter stirbt, und Evie (Nathalie Emmanuel) macht sich auf die Suche nach Verwandten, von denen sie nicht weiß, ob es sie gibt. Ein DNA-Test verrät ihr die Existenz eines Cousins, und wenig später findet sich Evie auf einem englischen Anwesen wieder, das direkt aus dem Handbuch der gothic literature entnommen sein könnte. Noch ein wenig später dann Vampire im Blutrausch. Mit diesem Film kann der Genre-Fan wenig falsch machen, das Rad neu erfunden wird hier aber auch nicht.

Zum Schluss der Kinderfilm der Woche: In Tad Stones und die Suche nach der Smaragdtafel, dem dritten Teil der spanischen Kinderfilmreihe (nach Tad Stones – Der verlorene Jäger des Schatzes! und Tad Stones und das Geheimnis von König Midas), randaliert der Titelheld als Miniatur-Indiana-Jones erneut ungeschickt durch Ausgrabungsstätten. Dieses Mal geht es nach Ägypten, was dann auch Gelegenheit für viele Mumien-Witze bietet. Macht Spaß, tut nicht weh, auch beim dritten Mal. (Wird übrigens auch bei der nächsten Känguru-Verschwörung nicht anders sein.)