Denzel Washington und Frances McDormand glänzen in Joel Coens Inszenierung von Shakespeares kürzestem Königsdrama: „The Tragedy of Macbeth“.
Scharfe Kanten. Harte Kontraste. Klare Linien. Schwarz und Weiß und das undurchdringliche Dickicht der Begehrlichkeiten, der charakterlichen Fehlbarkeit und der Verführungskraft.
Es ist ja nicht so, dass der getreue Heerführer und Vasall Macbeth eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte und sich in seinem Bett in einen skrupellosen Königsmörder verwandelt fand. Dass er sich erhob mit schwarzen Gedanken im Busen und sodann, den Dolch unterm Umhang versteckt, zur bösen Tat schritt, weil er und nicht der andere Herrscher sein sollte. Vielmehr war es ja so, dass ihm der Floh ins Ohr gesetzt ward von drei Hexen, und er den Floh dann weitergegeben hat an seine Frau, die Lady Macbeth, die wiederum nicht davon lassen konnte, die giftigen Gedanken ihm retour zu flüstern. So dass man schließlich meinen konnte, nicht ER sei schuld am grausigen Geschehen, sondern vielmehr SIE sei es gewesen, SIE sei die Anstifterin und trage die Verantwortung. Was natürlich Quatsch ist.
Im Übrigen lassen sich die drei Hexen lesen als die drei Moiren, die Göttinnen, die den Schicksalsfaden weben – und das Schicksal, es muss sich nun einmal vollenden. Und also vollendet es sich auch an Macbeth.
Und dann geht dieses Schicksal, gestaltet vom englischen Barden, unter titelgebendem Namen seines unholden Helden in die Theatergeschichte ein. Dort steht es in jener Ecke, in der die Finsterlinge sich zusammenfinden, und verbreitet selbst unter diesen noch gehörig Schrecken. Dergestalt, dass das notorisch abergläubische Bühnenvolk es gern vermeidet, seinen Namen auszusprechen und stattdessen lieber vom „scottish play“ redet.
Das schottische Stück also, William Shakespeares kürzeste, knackigste und konsequenteste seiner Tragödien, entstanden zu Beginn des 17. Jahrhunderts, niemals alt geworden und nunmehr neuerlich verfilmt von Joel Coen mit Denzel Washington in der Titelrolle und Frances McDormand in jener der Lady – was will man mehr? Eben.
Der produzierende Anbieter Apple TV+ vergönnt The Tragedy of Macbeth, passend zur traditionsgemäß spirituell unruhigen Zeit zwischen den Jahren und bevor es ihn im virtuellen Raum verstreamt, einen Kinostart. Wer kann, möge die Gelegenheit wahrnehmen und sehen, wie eines der großen Bühnenwerke mit großer Geste auf die große Leinwand gebracht ist. Und dabei doch zugleich intim wie ein Kammerspiel wirkt, entschlackt von allem kriegerischen Tumult, verdichtet auf seine pure Essenz des Charakterdramas, konzentriert auf die Sprache. Wahrlich, was für eine Sprache! Es ist als würde Coens inszenatorisches Konzept den stärkstmöglichen Scheinwerfer auf diese Sprache richten, so dass diese in ihrem eigenen Recht erglänze und alles andere überstrahlt.
Das Normalformat vermittelt die Anmutung des Blicks auf eine Guckkastenbühne, die Kostüme (Mary Zophres) sind einfach, die Ausstattung (Stefan Dechant) ist aufs Notwendigste beschränkt, die Effekte sind bildhaft – wenn zum Beispiel der Wald von Birnam sich der Burg nähert, dann dergestalt, dass durch ein geöffnetes Fenster ein Schwall Blätter hereinweht –, die Körper der Schauspieler sind die Resonanzräume der Wörter.
Zu verdanken ist Joel Coens Solo-Regiedebüt dessen Frau Frances McDormand. Die hatte ihren Gatten eigentlich zu einer Theaterinszenierung verleiten wollen, was der mit der Begründung ablehnte, das sei nicht sein Metier. Dann aber hinging und einen Film schuf, dem soviel Bühnenhaftes innewohnt, dass man versucht sein könnte, darin eine abgefilmte Vorführung zu sehen. The Tragedy of Macbeth ist jedoch vielmehr ein Meisterstück der Verdichtung, ein Musterbeispiel der Abstraktion und eminent filmisch, insofern es den Fokus richtet auf das Drama der beiden Figuren im Zentrum, das Ehepaar Macbeth, das von der Machtgier in den Untergang gerissen wird. Einer Machtgier, die sich, und das wird in Coens Inszenierung, in der die Macbeths bereits etwas älter sind, anrührend deutlich, dem Horror verdankt, keinen Erben zu haben, von niemandem erinnert zu werden, keine Spur zu hinterlassen. Also errichten sie ihre Schreckensherrschaft und gehen als Monster in die Geschichte ein.
Während sich zugleich Joel Coens The Tragedy of Macbeth einreiht unter die bemerkenswerteren Verfilmungen des „scottish play“: Orson Welles Macbeth (1948), Akira Kurosawas Das Schloss im Spinnwebwald (1957), Maqbool von Vishal Bhardwaj (2003) und zuletzt Macbeth von Justin Kurzel (2015). Sie alle gestalten die Erzählung von den Fallstricken der Macht und vom Wesen des Bösen und allesamt gestalten sie sie als abschreckendes Beispiel; keine aber, möglicherweise, mit soviel Mitgefühl.
(exklusiv und flat auf Apple TV+)
The Tragedy of Macbeth
USA 2021, Regie Joel Coen
Mit Denzel Washington, Frances McDormand, Alex Hassell, Corey Hawkins
Laufzeit 105 Minuten