Alpha-Bub

Gelungener Kinderfilm, jetzt im Kino: „Geschichten vom Franz“ nach Christine Nöstlinger

BILD zu OTS -Geschichten vom Franz
Geschichten vom Franz, 2022, Johannes Schmid

Wie die gleichnamige Kinderbuchreihe versteht es „Geschichten vom Franz“, spaßig und berührend in die Wirklichkeit seiner Figuren einzutauchen.

Es ist viel zu selten, dass ein Kinderfilm ohne irgendwie pädagogischen und sonstwie erzieherischen Impetus daherkommt. Auch ohne dann doch meist eher fade Moral geht es meist nicht. Dass Freunde wichtig sind, dass man aufeinander achtgeben soll und so weiter. Das Resultat ist meist aufgekratzte Banalität. Deutschsprachige Kinderfilme, die stattdessen versuchen, adäquate Bilder und Erzählungen für kindliche Wirklichkeiten und Wirklichkeitswahrnehmung zu entwickeln, findet man nur alle paar Jahre mal. Spontan sind mir eingefallen: der wundervolle Flussfahrt mit Huhn, Ronja Räubertochter, zuletzt Die Königin von Niendorf und Lauras Stern (beide von der Regisseurin Joya Thome) und die bislang drei Rico, Oskar-Filme. So unterschiedlich diese Filme auch sind, haben sie eins gemeinsam: Sie gehen vom Erleben ihrer Figuren aus, und da die nun einmal Kinder sind, ist das Erleben, das wir hier als Filmerfahrung nachvollziehen können, ein kindliches Erleben der Welt.

Dieser Befund, in meinen Augen das schönste Kompliment, das man einem Kinderfilm machen kann, trifft auch auf Geschichten vom Franz zu, Johannes Schmids Verfilmung von Christine Nöstlingers längst klassischer Kinderbuchreihe. Franz (Jossi Jantschitsch) ist zehn Jahre alt und für sein Alter sehr klein. Wenn er sich aufregt, wird seine Stimme piepsig. Von anderen wird er oft für ein Mädchen gehalten und ausgelacht, und wenn seine beiden Freund:innen Gabi (Nora Reidinger) und Eberhard (Leo Wacha) nicht da wären, wäre dieser Film kaum so komisch und leicht ausgefallen, sondern zum Mobbing-Drama geworden.

Leo Wacha, Jossi Jantschitsch

So aber fließt Geschichten vom Franz bei allem Unbill recht unbeschwert dahin und behandelt auch schwere Lebensfragen wie „Was muss man tun, um ein richtiger Mann zu werden?“ oder „Warum ist die Welt oftmals so eine Zumutung?“ mit einer Leichtigkeit, die Kindern Spaß macht und mitschauenden Eltern zudem sozusagen implizit verspricht, dass alles nicht so schlimm werden wird und alle am Ende unbeschadet durch die Kindheit und später dann die Pubertät kommen.

Franz wurde für den Film sanft in die Gegenwart transportiert, der Junge hat inzwischen ein Handy und ist Fan eines Influencers, der seinen Followern verspricht, mit ein paar Übungen zu „Alpha-Männern“ zu werden und der auch mit der Lebenserfahrung eines sechsjährigen Zuschauers umgehend als bekloppter Scharlatan erkennbar ist. Die Szenen, in denen Franz mit überschaubarem Erfolg versucht, diesen Ansprüchen gerecht und zum Alpha zu werden, sind nicht nur sehr komisch, sondern auch sehr rührend geraten. Geschichten vom Franz geht Gender-Fragen mit einer Gelassenheit an, die ihnen jede Schwere nimmt.

Außerdem gibt das Skript den Eltern (Ursula Strauss und Simon Schwarz), anders als in den Büchern, das gleiche Gewicht. Beide tauchen eher am Rande auf, hinterlassen aber einen nachhaltigen Eindruck, weil sie gleichsam in ihren Rollen die Haltung verkörpern, die auch die Haltung des Films ist: Man soll die Kinder machen lassen, so lange keine Gefahr im Verzug ist; in die Beziehungen der Kinder untereinander möge man sich so wenig wie möglich einmischen. Insofern dient die einzige pädagogische Botschaft, die hier mitschwingt, erfreulicherweise der Erziehung der erwachsenen Zuschauer:innen: Man muss die Dinge auch in trubeligen Phasen einfach mal in Ruhe lassen, für die Kinder da sein, wenn sie es brauchen, genügt.

 

Geschichten vom Franz
Österreich/Deutschland 2022, Regie Johannes Schmid
Mit Jossi Jantschitsch, Nora Reidinger, Leo Wacha, Ursula Strauss, Simon Schwarz
Laufzeit 79 Minuten