Gruseltage

Streaming-Tipps KW 43: Halloween Special

Ready or Not, 2019, Matt Bettinelli-Olpin, Tyler Gillett

Halloween: Passend zu den bevorstehenden Feiertagen haben wir die Gruselkabinette diverser Streamer nach schaurigen Neuerscheinungen durchforstet.

 

Halloween, 1978 (Canal+)

Carpenter war ein 30-jähriger Indie-Low-Budget-Regisseur mit zwei kleinen Hits auf dem Buckel, als er einen der kultigsten amerikanischen Slasher über einen psychopathischen Teenager-Jäger mit einer bleichen William-Shatner-Maske machte. Kaum jemand hatte vor Halloween die Mörder-POV-Perspektive so dreist als Stilmittel eingesetzt – dazu eine unverkennbare Klaviermelodie und ein paar selbstgeschriebene Synthie-Klänge. Die Rolle der Laurie Strode machte Jamie Lee Curtis zur Scream-Queen-Legende (in Nachfolge ihrer Mutter Janet Leigh in Psycho). Die Babysitterin Laurie war ein final girl, lange bevor der Begriff existierte. Sämtliche Halloween-Fortsetzungen kann man getrost ignorieren.

Canal+ zeigt außerdem Ari Asters eindrucksvollen Daylight-Horrorfilm Midsommar (2019), Andreas Prochaskas salzkammergütigen Teenie-Kult-Slasher In 3 Tagen bist du tot (2005) und Ich seh, ich seh (2014) von Veronika Franz und Severin Fiala – inzwischen ebenfalls Kult.

 

 

Ready or Not, 2019 (Disney+)

Eine dunkle Horrorkomödie, die das Ehegelübde „Bis dass der Tod uns scheidet“ wunderbar wörtlich nimmt. Der Film unter der Regie von Matt Bettinelli-Olpin und Tyler Gillett ist ein elegant gefilmter Horror-Reißer, der Gore und Humor mit einem sozialen Kommentar mischt, indem er ein paar ungenierte Einprozentler in die Luft jagt. Seine Wirkung verdankt der Film nicht zuletzt dem Charme der Australierin Samara Weaving, die wie John Rambo im Disney-Brautkleid mit einem Bandelier um die Schulter kämpft. Irgendwann stößt ihre Figur einen gutturalen Schrei aus und bringt das Ganze auf den Punkt: „Fucking rich people!“

Disney+ zeigt außerdem Richard Donners Horrorklassiker The Omen (1976), Mimi Caves modernen Dating-Horror Fresh (2022), und einen meiner persönlichen Favoriten, David Cronenbergs kafkaesken Body-Horror-Thriller The Fly (1986) mit einem großartigen Orchestersoundtrack von Howard Shore.

 

Earwig, 2021 (MUBI)

Das englischsprachige Debüt der französischen Regisseurin Lucile Hadžihalilović (Innocence, Évolution), eine stille, kontemplative Adaption von Brian Catlings gleichnamiger Novelle „Earwig“, ist kein Horrorfilm mit Schockern im klassischen Sinne. Der Schrecken ist eher melancholischer Natur, die vergilbte Ästhetik des Films zugleich hässlich und schön. Eine pochende Partitur von Agustin Viard und Warren Ellis lässt das Publikum in eine dunkle Küche fallen, wo der alte, hagere Albert (Paul Hilton) einem zehnjährigen Mädchen (Romane Hemelaers) Zähne aus Eis implantiert, die er aus ihrem eigenen Sabber herstellt. Das Ganze wiederholt er dann. Warum? Es ist ein Rätsel, das nicht gelöst werden will. Am besten, man lässt sich einfach überrollen.

MUBI zeigt außerdem Erik Blombergs finnisches Regiedebüt Das Weiße Rentier (1952), den schaurigen Stop-Motion-Film The Bones (2021) des chilenischen Filmemacher-Duos Joaquín Cociña und Cristóbal León (The Wolfhouse) und Pere Portabellas Cuadecuc, vampir (1971), eine experimentelle Dokumentation über die Dreharbeiten von Jess Francos Exploitation-Klassiker Nachts, wenn Dracula erwacht mit Christopher Lee und Klaus Kinski.

 

Guillermo del Toro’s Cabinet of Curiosities, 2022 (Netflix)

Del Toro ist ein leidenschaftlicher Sammler, der in Kalifornien ein Haus im Stil eines Museums mit literarischen und filmischen Artefakten besitzt, auch bekannt als „Bleak House“. Es gibt wahrscheinlich keinen anderen lebenden Regisseur, der Monster mehr liebt als der Oscar-gekrönte mexikanische Filmemacher – weshalb die meisten Geister, Dämonen und Krabbeltiere in seiner neuen Anthologie-Serie großartig aussehen. Del Toro hat zwei von acht Teilen geschrieben, aber alle kuratiert und acht Filmemacher:innen engagiert, darunter die Australierin Jennifer Kent (The Babadook) und die iranisch-amerikanische Provokateurin Ana Lily Amirpour (A Girl Walks Home Alone at Night). Einige Folgen sind stärker als andere, aber „The Viewing“ von Panos Cosmatos, dem Regisseur des unterschätzten, weil stark exzentrischen 2018er Avantgarde-Horrorfilms Mandy, ist besonders zu empfehlen.

Netflix hat außerdem eine schöne Mike Flanagan-Kollektion, auch „Flanaverse“ genannt, die wärmstens zu empfehlen ist, vor allem die Horrorserien Midnight Mass (2021), The Haunting of Hill House (2018) und The Haunting of Bly Manor (2020) – mehr dazu hier.

 

The Birds, 1963 (Amazon Freevee)

Drei Jahre nach Psycho stieß Alfred Hitchcock auf eine Geschichte von Daphne du Maurier, warf sie weg und behielt im Wesentlichen nur den Titel und die Idee von Vögeln, die Menschen angreifen. Der Klassiker mit Tippi Hedren und Rod Taylor spielt mit unserer Angst vor der kapriziösen Grausamkeit der Natur, aber eine Inspiration Hitchcocks kam von eigenen Erinnerungen an Bombenanschläge während des Krieges. Ein nettes Detail: Sein Lieblingskomponist, Bernard Herrmann, diente als Klangberater, aber die „Partitur“ ist eine experimentelle, elektronische Melange aus Piepsen, Krächzen und Schreien von Vögeln. (Alle Inhalte von Amazon Freevee sind übrigens frei und kostenlos zugänglich. Der Haken an der Sache: Es gibt Werbeunterbrechungen.)

Prime Video (flat) zeigt u.a. den südkoreanischen Zombie-Film Train to Busan (2016) von Yeon Sang-ho, Jennifer Kents dunkle Gutenachtgeschichte The Babadook (2014) und Luca Guadagninos Remake von Suspiria (2018).

 

Bonusmaterial

Rund um Halloween liefert Sky sich einen Horror-Marathon: Bis 1. November steht „Sky Cinema Spooky Halloween“ (familienfreundlich) zur Verfügung und noch bis 31. Oktober gibt es „Sky Cinema Halloween“ (für Erwachsene). Insgesamt sind zig Filme zu sehen, darunter etwa Klassiker wie Wes Cravens Scream (1996), Neil Jordans Interview with the Vampire (1994) und Buried Alive (1962), die Poe-Verfilmung von B-Movie-Meister Roger Corman.

Für all jene, die Halloween und Allerseelen kalt lassen, zeigt das VoD-Portal LaCinetek seit 27. Oktober eine wirklich wunderschöne Auswahl an 28 Klassikern, die den großen Schauspielerinnen und Schauspielern des französischen Kinos gewidmet ist. Französische Filmikonen: Von Jean Gabin in Jean Renoirs La grande illusion (1937) über Brigitte Bardot in Jean-Luc Godards Le Mépris (1963) bis hin zu Daniel Auteuil in Michael Hanekes Caché (2005).