Der „Stranger Things“-Hype geht weiter, ebenso der True-Crime-Hype, vor allem mit „In with the Devil“ (Apple TV+). Dazu reichlich Leidenschaft in der ARTE Mediathek.
Es ist seltsam: Man wartet drei Jahre auf die neue Staffel von Stranger Things (Netflix) und fast im Handumdrehen ist alles wieder vorbei. Die Serie der Duffer-Brüder ging mit einem spektakulären Nachklapp zu Ende; dabei fügt sich die groß angelegte Reise weiterhin wunderbar zusammen. Indem der Fokus wieder auf Hawkins und nicht auf die weite Welt verlagert wird, bildet das epische Ende einen nahezu perfekten Abschluss der Season. Dies ist Kleinbild-Action vom Feinsten. Die langen Laufzeiten dieser jüngsten zwei Episoden, insbesondere das vorläufig letzte Kapitel mit 150 Minuten, wirken erstaunlicherweise nie aufgebläht oder langweilig.
Es ist kaum möglich, ohne Spoiler darüber zu reden, aber diese Staffel (die vielleicht beste der Serie) hat uns einige der spektakulärsten Momente der jüngeren Zeit beschert. Elevens großer Kampf mit Vecna ist spannend und emotional, aber auch Momente mit Hopper, der es mit einem Monster aufnimmt, und Eddie Munson, der im Upside Down auf seiner Gitarre rockt, zählen zu den besonderen. Der Remix von „Running Up That Hill“ mit der kultigen Titelmelodie von Kate Bush sorgt immer noch für Gänsehaut. 37 Jahre nach seiner Veröffentlichung steht der Song derzeit an der Spitze der UK-Charts – dank Netflix.
Ebenfalls für Gänsehaut sorgt eine neue „based on a true story“-Serie mit dem Titel In with the Devil (OT: Black Bird), die gerade auf Apple TV+ erscheint (die Gründe, dort kein Abo zu nehmen, gehen langsam zur Neige). Ein aufgemotzter Taron Egerton (der Elton John in Rocketman verkörperte) spielt Jimmy Keene. Sein großes Grinsen im Gesicht verschwindet, als er wegen Drogenhandel für zehn Jahre im Gefängnis landet. Als sein Vater, gespielt von dem verstorbenen Ray Liotta (GoodFellas) in seiner letzten TV-Rolle, einen Schlaganfall erleidet, beschließt Jimmy, ein ungewöhnliches Angebot vom FBI anzunehmen, um seiner Strafe zu entgehen. Er soll sich mit dem geisteskranken Serienmörder Larry Hall (Paul Walter Hauser) anfreunden und diesem das Geständnis abringen, für den Mord an einem Mädchen verantwortlich zu sein – und für das Verschwinden von weiteren 13 jungen Frauen. Wenn er es schafft, ist Jimmy frei.
Es wird immer schwieriger, eine True-Crime-Adaption zu machen, die sich von den unzähligen Filmen, Serien und Podcasts des Genres unterscheidet. In with the Devil gelingt das. Die Einflüsse sind unverkennbar, aber die Serie kommt weitgehend ohne Klischees aus und stellt das Katz-und-Maus-Spiel erfolgreich auf den Kopf. Kreiert wurde der Sechsteiler von Dennis Lehane, der vor allem für die Kriminalromane Mystic River, Gone Baby Gone und Shutter Island bekannt ist, die von Clint Eastwood, Ben Affleck und Martin Scorsese brillant verfilmt wurden. In with the Devil ist eine Moralgeschichte, die eindeutig vom grübelnden Stil dieser Regisseure beeinflusst wurde, ebenso wie von neueren Krimidramen wie True Detective (hier eine Hymne auf den dritten Teil) und Mindhunter. Eine schöne Partitur der schottischen Band Mogwai wird zum akustischen Marker. In with the Devil erzeugt seine mulmige Spannung nicht unähnlich Mindhunter – indem es uns gnadenlos mit menschlicher Verdorbenheit konfrontiert. Paul Walter Hauser, der auch die Titelfigur in Clint Eastwoods Richard Jewell spielte, hat das Talent, die absurdesten und manchmal wahnsinnigsten Figuren zum Leben zu erwecken. Es empfiehlt sich, nicht im Internet vorab zu lesen, was hier passiert.
True Crime, Kapitel 2: Im Jahr 2017 wurde Michelle Carter wegen fahrlässiger Tötung verurteilt, weil sie ihren Freund Conrad Roy III angestachelt hatte, Selbstmord zu begehen. Dieser Fall wurde in Erin Lee Carrs HBO-Doku I Love You, Now Die (2019) eingehend untersucht, nun aber auch in eine Hulu-Serie verwandelt: The Girl from Plainville (ab 10. Juli bei Starzplay), mit der außergewöhnlichen Elle Fanning. Die Lesart der meisten US-Medien war, dass Conrad Roy von seiner Freundin im Grunde „zu Tode getextet“ wurde. Die Serie versucht zu zeigen, dass der Fall viel nuancierter war – und das ist bewundernswert kühn von den Schöpfern Liz Hannah und Patrick Macmanus, die sich auf den Kern einer tragischen, heiklen Liebesgeschichte konzentrieren. Zwei der acht Folgen inszenierte Lisa Cholodenko, die auch als Produzentin fungiert (wie einst bei der überragenden Netflix-Miniserie Unbelievable). Sehr gut gespielt, auch von Chloë Sevigny in der Rolle von Conrads Mutter.
Welch inspirierende, zuweilen aber auch selbstzerstörerische Kraft die Liebe besitzt, beweist der „Summer of Passion“ in der ARTE Mediathek. Von 8. Juli bis 21. August gibt es immer freitags und sonntags Spiel- und Dokumentarfilme sowie Konzerte, die sich um das Thema Leidenschaft drehen. Dabei sind Klassiker wie Love Story (17. Juli) von Arthur Miller, Thelma & Louise (31. Juli) von Ridley Scott oder Pedro Almodóvars Zerrissene Umarmungen (24. Juli) mit Penélopé Cruz, der auch das Porträt Penelope Cruz: Diva im Spiegel in Erstausstrahlung gewidmet ist. Romy und Alain (7. August) erzählt von der ungestümen Beziehung zwischen Romy Schneider und Alain Delon, die zeitlebens nie wirklich voneinander losgekommen sind. Die Doku Pussy, Pleasure, Power! (8. Juli) widmet sich der weiblichen Lust in der Popkultur, während Emmanuelle – Königin des Softpornos (14. Juli), eine Hommage an den berüchtigten 1974er Erotik-Klassiker darstellt. Und weil auch in der Geschichte der Popmusik ganze Karrieren auf Leidenschaft aufbauen, gibt es u.a. Konzertfilme mit Amy Winehouse, Celine Dion oder Rammstein und Dokus über KISS, Barry White, und Janet Jacksons „Nipplegate“.