Nerdfest

Anlässlich „Asteroid City“: eine kritische Annäherung an die Filme von Wes Anderson

Anderson, Hanks, Asteroid City
Asteroid City, 2023, Wes Anderson

„Asteroid City“: Das zerfaserte Kino und der verschrobene Humor des Wes Anderson kann einem auch auf die Nerven gehen. Jetzt im Kino.

Manchmal will man etwas mögen oder wenigstens gut finden, und es klappt einfach nicht. Mit den Filmen von Wes Anderson verhält es sich so, bei mir, also mit fast allen nach The Life Aquatic with Steve Zissou (Moonrise Kingdom war dann auch wieder toll). Es ist ein wenig rätselhaft, auch weil das eigentlich super funktionieren müsste: Schauspieler:innen, denen man gerne bei der Arbeit zusieht, eigentlich egal, was sie machen; komplett durchkonstruierte, quietschbunte Bilder, die man sich alle ausnahmslos an die Wand hängen könnte; verschrobener Humor, der, wenn man zwei, drei Anderson-Filme gesehen hat, eine sich exklusiv anfühlende Injoke-Kaskade bildet. Ein Nerdfest, kurz gesagt.

Wes Andersons neuester, Asteroid City, war der erste Film seit Langem, bei dem ich immer wieder eingenickt bin. Eigentlich ganz angenehm, weil es stimmt ja, im Kino schlafen heißt dem Film vertrauen. Für eine Filmkritik wiederum nicht unbedingt die Idealvoraussetzung, der Sekundenschlaf, und es kann sein, dass etwas Zentrales verpasst wurde. Meine Vermutung ist allerdings, dass es keinen großen Unterschied macht. Asteroid City will keine Geschichte erzählen, der man irgendwie halbwegs konzentriert folgen müsste, sondern einzelne schöne Bilder und Skurrilitäten aneinanderreihen, und das ist ja erst einmal kein Problem. Man soll von einem Film nichts anderes erwarten, als er selbst im Sinn hat; man geht ja auch nicht in The Expendables 3 und beschwert sich danach über den Lärm.

Was an The Asteroid City aber doch hart auf den Keks geht, ist das Gesamtkonstrukt, also Andersons filmisches Verfahren selbst. Das wirkt hier im Ergebnis erzählerisch noch stärker zerfasert als in seinen vorangegangenen Filmen. Eine Figur formuliert an einer Stelle implizit so etwas wie eine reflexive Kritik an der ganzen Unternehmung: „Everything is connected and nothing works.“ Asteroid City ist wie fast alle Anderson-Filme ein Ensemblefilm, bis auf Bill Murray sind alle aus der Anderson-Familie dabei: Jason Schwartzman, Tilda Swinton, Willem Dafoe, Edward Norton, Adrien Brody und so weiter. Und zum ersten Mal Tom Hanks (hier unsere Bedenken zu seiner Karriere-Entwicklung) und Scarlett Johansson. Alle müssen ständig irgendwas machen, ohne dass sich daraus etwas ergeben würde, in schneller Folge und eingefasst in eine Tableau-artige filmische Welt. In diesem Fall ist es ein Fünfzigerjahre-Wüstenkaff, in dem ein Nachwuchsastronomenwettbewerb stattfindet und ein sehr süßes Alien (Jeff Goldblum) landet, um einen Meteoriten zu klauen. Drumherum wurde noch eine Metaebene in Schwarzweiß gebastelt: Bryan Cranston moderiert das Ganze als eine Art Conferencier hinter den Theaterkulissen, wir sehen Teile der Produktion des Theaterstücks „Asteroid City“. Warum, erschließt sich nicht so recht.

Vieles wird angetippt, UFO-Paranoia, Quarantäne, Star-Kultur, Tod der Mutter, die Einsamkeit der Hochbegabten. Aus alldem entwickelt der Film nichts, mit dem man etwas anfangen wollen würde. So rutscht man aus den schönen Bildern immer wieder raus, zum Beispiel in den Sekundenschlaf, und fühlt sich irgendwann so unverbunden mit all dem wie die Figuren mit der Welt, in der sie leben. Das ist überhaupt die stärkste Konstanz in Andersons Werk, neben den symmetrischen Bildkonstruktionen: Man bekommt Menschen vorgeführt, die weitgehend losgelöst von ihrem Inneren und vom Außen, also ihrer Welt, sind. Die auch in Asteroid City immer wieder aufploppende Komik kommt hier genau aus dieser Teilnahms- und Regungslosigkeit. Vielleicht unterscheidet das die frühen Anderson-Filme von den späten. In The Royal Tennebaums und The Life Aquatic with Steve Zissou – der finale Auftritt des Jaguarhais zur Musik von Sigur Rós – blitzte immer wieder etwas anderes auf, das über die L’art-pour-l’art-Exzesse hinauswies, in die Welt außerhalb des Kinos.

In den späteren Anderson-Filmen fehlt das, außer wenn Kinder ins Zentrum des Bildes rücken. In Asteroid City zum Beispiel in der Szene, in der drei Töchter die Asche ihrer Mutter in der Wüste vergraben. Kinderschauspieler:innen können nicht so semi-autistisch spielen wie zum Beispiel Jason Schwartzman es inzwischen perfektioniert hat. Da kommt dann immer wieder etwas anderes durch und entfaltet eine Präsenz, eine Unmittelbarkeit, ob beabsichtigt oder nicht, die Wes Andersons auf eine sehr nerdhafte Weise cool sein wollende Ästhetik eigentlich nicht vorsieht und vielleicht auch abwehrt. Wohl deswegen hat auch Moonrise Kingdom zuletzt noch einmal so gut funktioniert: Immer dann, wenn die eigentlich radikale Artifizialität in ein Spannungsverhältnis zu etwas gesetzt wird, das über sie hinausweist, wacht man wieder auf.

 

Asteroid City
USA 2023, Regie Wes Anderson
Mit Jason Schwartzman, Scarlett Johansson, Tom Hanks, Jeffrey Wright
Laufzeit 106 Minuten