Gehobener Unfug

Fantasyhorrorkomödie: „Renfield“ von Chris McKay – im Kino

Mckay, Renfield
Renfield, 2023, Chris McKay

„Renfield“: Der Diener von Graf Dracula muss in die Selbsthilfegruppe; der toxische Narzissmus seines Chefs ist nicht länger zu ertragen.

Renfield ist eine arme Sau. Als Handlanger eines narzisstischen Ungetüms mit mangelnder Impulskontrolle hat er kein leichtes Leben. Immer muss er hinter dem Boss herräumen, muss die Sauereien beseitigen, die dieser mit schönster Regelmäßigkeit anrichtet, und muss ihn hochpäppeln, wenn er sich mal wieder selbst überschätzt und an den Rand der Nicht-Existenz gebracht hat. Hochpäppeln bedeutet, dass Renfield die Lebensmittel heranschafft, die seinem Herrn und Meister zu alter Größe verhelfen, was wiederum aufgrund der exotischen Ernährungsgewohnheiten desselben mit einem Besuch im Supermarkt nicht abgetan ist. Denn der Boss, Sie ahnen es, ist niemand Geringerer als Graf Dracula, der Untote, der Blutsäufer, Ausgeburt der Hölle, Perversion der Schöpfung – Vampir eben. Und im vorliegenden Fall, nämlich in Chris McKays Fantasyhorrorkomödie Renfield, von niemand Geringerem dargestellt als Nicolas Cage, Vollblut-Schauspieler ohne Limit und allzeit bereit voll aufzudrehen; sozusagen Idealbesetzung.

Nur heißt der Film ja nicht Dracula, sondern eben Renfield, nach einer Randfigur in Bram Stokers berühmtem, 1897 veröffentlichtem Roman. Darin ist Renfield als ein Irrer beschrieben, der sich von Fliegen, Spinnen und anderem Getier ernährt, der sich mit Leib und Seele dem Untoten verschreibt, und der diesem sodann Zutritt zur begehrten Verlobten Jonathan Harkers verschafft, Mina, die in derselben Heilanstalt untergebracht ist wie Renfield.

McKay, Awkwafina, Renfield
Awkwafina

Gespielt wird die Figur dieses Dieners hier von Nicholas Hoult, der zwar nicht gerade für seine Rampensau-Qualitäten bekannt ist, sich aber auch nicht so leicht ins Bockshorn jagen lässt, und der zudem immer mal wieder ausgesprochen angenehm mit exzentrischen Darbietungen auffällt; beispielsweise als ultranaives Kanonenfutter in Mad Max: Fury Road (George Miller, 2015), als aufgedonnerter Parteiführer in The Favourite (Yorgos Lanthimos, 2018), oder auch als den Mund zu voll nehmender Gourmet in The Menu (Mark Mylod, 2022 – hier unsere Kritik). Hoult verfügt über das nötige Stamina, sich in den Szenen mit Cage von diesem an die Wand spielen zu lassen, ohne dass dabei seine Figur Schaden nimmt. Was allerdings natürlich auch damit zusammenhängt, dass dieselbe nicht mehr allzuviel Schaden nehmen kann, ist Renfield doch in den vielen Jahrzehnten seines Dienstes am Grafen von diesem in die totale Unterwerfung gezwungen worden.

Mit dem Einsetzen der Handlung im New Orleans der Gegenwart hat Renfield nun aber endgültig die Nase voll davon, vom Boss wie ein Putzlumpen behandelt zu werden. Also schließt er sich – was läge näher? – einer Selbsthilfegruppe an, deren Mitglieder Auswege aus ihren jeweiligen toxischen Beziehungen zu narzisstischen Egomanen suchen, auf die sie einst so hoffnungsvoll hereingefallen sind. Und als würde das noch nicht Anlass genug für Ärger aller Art liefern, verliebt er sich obendrein noch auf den ersten Blick und unsterblich in eine kleine Streifenpolizistin namens Rebecca, die ihm etwas Entscheidendes voraus hat: Sie gibt nicht klein bei. Niemals.

Die Rapperin und Schauspielerin Awkwafina legt diese wackere Ordnungshüterin als Würfel an. Mit hochgezogenen Schultern, zusammengestauchtem Körper, pampigem Gesichtsausdruck, allzeit wild entschlossen und eher humorlos projiziert die Figur nicht lediglich Anspannung, sondern schon Verkrampfung; eine Verkrampfung, die ungeklärten familiären Konflikten und nicht aufgearbeiteten Verlusten geschuldet ist. Rebecca ist sozusagen Renfields Kehrseite; auch sie muss sich befreien. Doch wo Renfield im Zweifelsfall den Schwanz einzieht und das Weite sucht – im Grunde ist er ein eher sanftmütiger Mann, der keinem Insekt ein Haar krümmen würde, müsste er dieselben nicht zur Erlangung vampirischer Superkräfte immer mal wieder in sich hineinmampfen –, stürzt sich Rebecca wie ein Terrier, die Gefahr nicht achtend, auf den Gegner und verbeißt sich. Unschwer zu erahnen: Gemeinsam sind sie stark!

Und geben kein Pardon. Wie im übrigen auch nicht die Blut- und Gekröse-Abteilungen, die für die haltlosen Schlachtfeste verantwortlich zeichnen, die den Handlungsverlauf akzentuieren. Da geht es hoch her und unappetitlich zu, enthemmte Comicgewalt, blutrotgefärbt, die sich dem Unfug, der Renfield ist, harmonisch beifügt.

 

Renfield
USA 2023, Regie Chris McKay
Mit Nicholas Hoult, Nicolas Cage, Awkwafina
Laufzeit 93 Minuten