Michel Franco Double-Feature

„New Order“ (2020) und „Sundown“ (2021): zwei fabelhafte Filme des mexikanischen Regisseurs

Michel Franco, Nuevo Orden
New Order, 2021, Michel Franco

Michel Franco, no. 1: New Order. Eben noch feierten die Reichen und die Schönen fröhlich Hochzeit in der Luxus-Villa am Rande der Metropole, da schwappt auch schon der Volksaufstand aus den Armenvierteln in den üppigen Garten und mit ihm reichlich Blut. Keine 90 Minuten braucht Michel Franco in der Folge, um in diesem bitteren, brutalen und gnadenlosen Werk die Zivilisation mit Pauken und Trompeten untergehen zu lassen. Atemlos schildert er die Rebellion der Abgehängten, die Niederschlagung durch das Militär, die Etablierung der titelgebenden neuen, totalitären Ordnung, und die Kollateralschäden, die all dies mit sich bringt. Die mannigfachen Erfahrungen der lateinamerikanischen Länder mit staatlicher Willkür, Gewaltherrschaft und systemischer Korruption grundieren die Ereignisse dieses Films, dessen Perspektive das Grün der Hoffnung nur mehr als Ausdruck einer infernalischen Wut zulässt. Bei den Filmfestspielen in Venedig 2020 wurde New Order (Nuevo orden) mit dem Großen Preis der Jury ausgezeichnet.

Michel Franco, no. 2: Im Jahr darauf stellte der 1979 in Mexiko City geborene Filmemacher neuerlich im Wettbewerb der Mostra mit Sundown ein Werk vor, das auf den ersten Blick wie das glatte Gegenteil wirkt. Ausgehend von einer begüterten Familie, die aus London kommend in einem Resort in Acapulco Urlaub macht, fokussiert Franco auf den Mann, der sich aus dieser Familie davon macht. Sang- und klanglos sozusagen, ohne ein Wort der Erklärung. Er mietet sich ein in einem einfachen Hotel, bezieht einen sonnenbeschirmten Stuhl an einem öffentlichen Strand und trinkt Bier. Er findet eine Gefährtin, die Sonne brennt vom Himmel, die Verlassenen zerren an ihm, der Mann bleibt stoisch. Dann schlägt vielgestaltig das Schicksal zu, öffnet sich die Perspektive des Films ins Existenzielle und nimmt auch gesellschaftliche Kontraste in den Blick; neuerlich ohne darum viele, geschweige denn große Worte zu machen.

Der all dies duldende Mann wird gespielt von Tim Roth, der mit Michel Franco bereits 2015 bei Chronic – in Cannes mit dem Preis für das beste Drehbuch ausgezeichnet – zusammengearbeitet hatte. Und wieder gelingt Roth eine denkwürdige Darbietung, konzentriert, verschlossen und dabei doch gefühlsstark; eine Lehrstunde in Minimalismus und dem verdichteten Regiestil Francos überaus angemessen.

New Order ist flat auf Prime Video und beide Filme sind gegen moderates Entgelt auf diversen Plattformen bzw. auf Disc erhältlich.

 

New Order
Mexiko/Frankreich 2021, Regie Michel Franco
Mit Eligio Meléndez, Regina Flores, Naian González Norvind
Laufzeit 86 Minuten

Sundown
Mexiko/Frankreich/Schweden 2022, Regie Michel Franco
Mit Tim Roth, Charlotte Gainsbourg, Iazua Larios
Laufzeit 82 Minuten