Der Nachtportier (1974)

Liliana Cavanis kontroverser Klassiker – restauriert auf Disc oder im Stream

Der Nachtportier, 1974, Liliana Cavani

Wien, 1957. Der Nachtportier, der diesem bockig irritierenden Film den Titel gibt, ist in dem kleinen Hotel, in dem er arbeitet, für allerlei Dienstleistungen zuständig. Er versorgt die älteren Damen mit Zuwendung, einen Balletttänzer mit Drogen, einen (Freundes-)Kreis alter Nazis mit Informationen. Max, ehemaliger SS-Offizier, hat sich eingerichtet in der Nachkriegszeit, in der Leugnung, in der Scham auch über das, was war. Als dann aber eines Nachts Lucia zur Türe hereinschneit, kommt es wieder hoch, das vermaledeite Verdrängte. Denn Lucia ist das magere Mädchen, das Max sich einst im KZ aus einem Haufen nackter Todeskandidatinnen ausgewählt hatte, damit es ihm diene.

Den Gedanken, dass nun die Stunde der Rache geschlagen hat, hat man noch nicht zuende gedacht, da fallen Lucia und Max übereinander her und nehmen ihre im Lager begonnene, sadomasochistische Beziehung wieder auf. Misstrauisch beäugt von Max‘ Kameraden, die Verrat wittern und ihre klandestinen Existenzen gefährdet sehen.

Als Liliana Cavani 1974 einem konsternierten Publikum Il portiere di notte / Der Nachtportier vorstellte, gab es einen mächtigen Skandal. (Der einflussreiche US-Kritiker Roger Ebert z.B. zeigte sich angeekelt und berief sich besorgt auf Susan Sontag.) Niemand mochte Cavani in jene trüben Seelen-Gewässer folgen, in denen diese Geschichte einer unseligen, in grausamen Verhältnissen geborenen Abhängigkeit angesiedelt war, und wo Liebe rein gar nichts mit Romantik, sehr viel aber mit Verzweiflung und Wahn zu tun hat. Die Wächter von Sitte und Anstand zogen das perverse Unding aus dem Verkehr; woraufhin gerichtlich geklärt werden musste, dass es sich vielmehr doch um, wenngleich sehr ungefällige, Kunst handele. Alles dies (und noch viel mehr) lässt sich dem umfassenden Bonusmaterial entnehmen, mit dem die Neuedition des mittlerweile zum Klassiker avancierten Films ausgestattet ist. Darunter ein kundiger Audiokommentar, ein Gespräch zur Wirkungsgeschichte zwischen Monika Treut und Marcus Stiglegger sowie Interviews mit Drehbuchautor Italo Moscati, Regisseurin Cavani und Charlotte Rampling, die in der Rolle der Lucia ein frühes Glanzlicht setzte und ihren internationalen Durchbruch feierte.

(Restauriert mit umfangreichem Bonusmaterial auf Disc bei Weltkino/Leonine bzw. gegen moderates Entgelt u.a. auf Prime Video oder Apple TV)

 

Il portiere di notte / Der Nachtportier
Italien 1974, Regie Liliana Cavani Drehbuch Italo Moscati
Mit Charlotte Rampling, Dirk Bogarde, Philippe Leroy, Gabriele Ferzetti
Laufzeit 118 Minuten