Sagenhaft dummer Streit

Serientipp: „Beef“ – auf Netflix

Lee, Wong, Beef
Beef, 2023, Lee Sung Jin

„Beef“ ist Dramedy im eigentlichen Wortsinn. Die koreanisch-amerikanische Netflix-Serie von Lee Sung Jin inszeniert eine Dauerfehde durchgehend zugleich als Komödie und Drama.

Druck, von innen wie von außen, erzeugt Angst. Angst erzeugt Abwehr und Wut, und Wut zerrt alles gerne mal Richtung Katastrophe. Die Netflix-Serie Beef erzählt die Geschichte einer fortwährenden Eskalation, und was lustig anfängt, geht dann bald ein paar Meter tiefer als sonstige Comedy. Witzig ist das aber schon: Ein kleiner Parkplatz-Zwischenfall führt zu einer langsam sich steigernden Dauerfehde zwischen Danny Cho (Steven Yeun) und Amy Lau (Ali Wong). Um den sagenhaft dummen Streit herum entfaltet sich ein Szenario aus Dauerstress, Versagensangst, Überforderung und missglückten Lebensentwürfen.

Danny und Amy sind in vielem unterschiedlich (er prekär selbständig und verschuldet, sie selbständig und schwer erfolgreich) und in vielem sehr ähnlich: Da ist zum einen die Migrationserfahrung als Menschen asiatischer Herkunft in den USA, vor allem ist da aber die Erfahrung eines sozialen Dauerdrucks – freundlich zu den Kunden sein, alltägliche Überschreitungen und Kränkungen ertragen, die Familie aushalten (Mann und Kind in Amys, Bruder und Cousin in Dannys Fall). Der titelgebende Beef ist da eher sowas wie eine kathartische und also durchaus erleichternde Angelegenheit, für die Figuren wie für die Zuschauer:innen. Aber es hilft natürlich nichts, wenn Danny Amys Badezimmer vollpinkelt oder Amy eine Affäre mit Dannys Bruder beginnt. Auch weil im Falle von Übersprungshandlungen wie diesen die eigentlichen Quellen des Elends gemeinhin unangetastet bleiben.

Yeun, Lee, Beef
Steven Yeun

Beef ist, wie gesagt, lustig, aber im Grunde gar nicht so sehr. Die von dem koreanischen Regisseur Lee Sung Jin entwickelte Serie reist durch die sozialen Sphären und ist in den diversen Portraits, die sie zeichnet, vor allem erst einmal äußerst genau. Dazu gehören die Kunstwelt von Los Angeles, die prekären Segmente migrantischer Communities, eine koreanische Kirchengemeinde, ein kleinkriminelles Milieu. Außerdem findet Beef präzise Bilder und Dialoge für eine Ehe, in der vor allem repräsentiert werden muss, während die beteiligten Menschen sich miteinander unwohl und sprachlos fühlen. Paartherapie, Beziehungsgespräche, die allseitigen Bemühungen – alles von einer nahezu Bergman’schen Präzision.

Dazu tragen Steven Yeun (bislang nicht nur in The Walking Dead zu sehen, sondern auch in Lee Chang-dongs Burning, einem der besten koreanischen Filme der jüngsten Zeit) und Ali Wong (Comedienne mit inzwischen drei Netflix-Specials) wesentlich bei. Yeun verbindet in seinem Spiel Überforderung und eine geradezu verzweifelte Ambitioniertheit, was ein Bild der Dauerzermürbung ergibt. Wong führt ihre Figur vom Desperate-Housewives-Modus spätestens ab der Hälfte der Serie in die Untiefen einer ausgewachsenen seelischen Verstimmung mit manisch-depressiven Zügen.

Das ist alles komisch und lustig zum einen, aber eben gar nicht heiter. Beef funktioniert zugleich immer auch als todernstes Drama. Und gerade in dieser Gleichzeitigkeit liegt die Besonderheit der Serie. Normalerweise wechseln sich beide Modi in Filmen, die beides sein wollen, ja konstant ab. In Beef hat man Comedy und Drama fast durchgängig im selben Bild.

  

Beef
USA 2023, Schöpfer Lee Sung Jin
Mit Steven Yeun, Ali Wong, Joseph Lee, Young Mazino
Laufzeit 10 Folgen à ca. 30 Minuten