Mafiamütter

Serientipp: „The Good Mothers“ – auf Disney+

Amoruso, Jarrold, The Good Mothers
The Good Mothers, 2023, Julian Jarrold, Elisa Amoruso

„The Good Mothers“ beschäftigt sich mit dem Mafia-Narrativ durch eine feministische Linse – als Miniserie bei Disney+.

Dramen über die Mafia offenbaren sich in der Regel in Gewalt, Drogen, Korruption, Macho-Gehabe und nicht selten in der bizarr knalligen Opulenz mafiöser Innenarchitektur. Selten allerdings untersucht unsere Populärkultur – zwischen Marlon Brandos ikonischer Darstellung eines Gangsterbosses in der Godfather-Trilogie und natürlich großartigen Serien wie den Sopranos und Gomorrha – die Schicksale von Frauen, die in dieses Leben geboren werden.

Aufregend gespielt und durchaus spannend gedreht von dem Briten Julian Jarrold (Great Expectations) und der Italienerin Elisa Amoruso, bietet die neue britisch-italienische Krimiserie The Good Mothers (auf der heurigen Berlinale zu Recht mit dem neuen Serienpreis geehrt) einen brutalen Einblick in die ’Ndrangheta durch eine feministische Linse. Der Begriff stammt aus dem Griechischen, er bedeutet „Gesellschaft von Männern mit Ehre und Tapferkeit“. Aber der Sechsteiler konzentriert sich auf die wahre Geschichte von vier mutigen Frauen, welche die Omertà (den Schweigekodex der Mafia) gebrochen haben, um „ihre Männer“ hinter Gitter zu bringen.

Basierend auf einem Buch des Briten Alex Perry, adaptiert von Drehbuchautor Stephen Butchard, wirft uns The Good Mothers mitten in die sehr, sehr kleine Welt dieser Frauen. Sie reicht auf dem Farbspektrum von Blaugrau bis Mokkabraun. Die Kamera führt uns durch die malerische Seite Süditaliens direkt hinein in klaustrophobische Räume. Die sonst so wunderschönen kalabrischen Landschaften am Fuße Italiens, die Heimat der ’Ndrangheta, sind matt. Die Beleuchtung ist grell und engherzig. Der Machismo ist tief verwurzelt. Ehefrauen und Mütter haben nicht die Privilegien, die Edie Falcos Carmela Soprano genoss. Wie eine Frau erklärt, bedeutet die Geburt in eine ’Ndrangheta-Familie, dass man mit 16 verheiratet wird.

Belle, The Good Mothers
Valentina Bellè

Eine der Frauen, Lea Garofalo, hat in Italien den Status einer Märtyrerin erlangt. Es gibt über sie sogar einen Film (Lea), der 2015 fürs italienische Fernsehen produziert wurde. Garofalo denunzierte 1996 erstmals ihren Gangster-Mann und andere Mafiosi und verbrachte dann viele schwierige Jahre im Zeugenschutzprogramm mit ihrer Tochter Denise. Am Ende ließ der Staat sie im Stich und Garofalo versuchte, sich ihrer alten Clique anzunähern. Das endete mit ihrem Verschwinden, einer Lupara Bianca – im Mafia-Sprech die Bezeichnung für das spurlose Beseitigen einer Leiche. Die Familie hat sie ausgelöscht.

Garofalos Verschwinden bietet The Good Mothers einen spannenden Auftakt, ihre letzten Tage, beobachtet von ihrer siebzehnjährigen Tochter, makellos und mit Wut im Bauch gespielt von Gaia Girace aus der famosen Serie L’amica geniale (Meine geniale Freundin, 2018). Die Mutter (Micaela Ramazzotti) reist mit ihr nach Mailand, um sich mit dem Vater von Denise, Carlo Cosco (Francesco Colella), zu versöhnen, aber die Dinge laufen schief. Als die Mutter nach einem Essen nicht nach Hause kommt und nicht ans Telefon geht, beginnt die Tochter Verdacht zu schöpfen. Ein strenger Anruf von der Tante (Alessandra Roca) in gedämpften Tönen, die sie über die Realität ihrer prekären Situation informiert, verstärkt die Spannung nur, da eine falsche Bewegung dazu führen könnte, dass Denise ein ähnliches Schicksal erleidet. Sie wird in einem kargen Bergdorf versteckt, in ein mintgrünes Prinzessinnenkleid gestopft, geschminkt und frisiert, um ihren Vater stolz zu machen, und muss von nun an den Regeln der ’Ndrangheta folgen. Das alles liest sich vermutlich wie eine Telenovela, ist aber alles andere als das. Natürlich gibt es die übliche Mafia-Theatralik, aber in diesen Klischees steckt eben auch eine grausame Wahrheit. Frauen werden hier in Säure aufgelöst.

Nicht alle Protagonistinnen werden als Vorzeigemütter und Opfer porträtiert. Sie sind Komplizinnen. Giuseppina Pesce (eine großartige Valentina Bellè), aus einem anderen Strang der ’Ndrangheta-Mafia, hilft ihrer Familie beim Aufbau eines Drogenrings. Als sie zu spät zum Abendessen nach Hause kommt, drückt der Vater ihren Kopf auf den Teller. „Vergiss nie, dass du eine Ehefrau bist“, sagt er. Ihre Freundin Concetta (Simona Distefano) lebt wie eine Gefangene im eigenen Haus. Die beiden werden sich schließlich mit einer Staatsanwältin (Barbara Chichiarelli) zusammentun, die davon überzeugt ist, dass die Frauenfeindlichkeit der Organisation ihr schwaches Glied ist. Natürlich muss man nicht lange im Internet suchen, um herauszufinden, wie die Geschichte dieser unnachgiebigen Frauen ausgeht. Es lohnt sich dies nicht zu tun.