Ein episches Ehe-Battle-Royale, Teenage-Angst in Serie und zwei Filme verstorbener Hollywood-Riesen: Beziehungsdebakel, wo man hinsieht.
Die Ehe ist ein ehrgeiziges Unterfangen, dessen wahrhaftige Darstellung eine ebenso ehrgeizige Anstrengung erfordert. Ingmar Bergman hat eine solche in seiner legendären Minifernsehserie von 1973 unternommen. Nachdem er seine qualvollen Fragen nach dem Leben in einer Welt ohne Gott durchgearbeitet – oder beiseite gelegt – hatte, drehte der schwedische Filmemacher den Sechsteiler Szenen einer Ehe (Arte.tv), den er später zu einem Kinofilm verdichtete. Der hier geführte intime Zweikampf kennzeichnet sich durch reumütige Zuneigung und erbarmungslose Aufrichtigkeit für den menschlichen Egoismus.
Das Paar im schwindelerregenden Herzen des Ganzen, Marianne und Johan, wurde von Liv Ullmann und Erland Josephson gespielt, zwei Haus- und Hofschauspieler aus Bergmans Repertoire-Ensemble. Als wir die beiden zum ersten Mal treffen, werden sie für eine Frauenzeitschrift über ihre zehnjährige Ehe interviewt. Sie sind glücklich, sagen sie. Johan wirkt selbstsicher. Er beschreibt sich selbst als „ungewöhnlich intelligent“, „sexy“ und „freundlich, sogar zu Menschen, die ihn nicht leiden können“. Während er all dieses selbstverliebte Zeug von sich gibt, hört Marianne halb abwesend zu und nickt nur still mit dem Kopf. Als sie an der Reihe ist, sagt sie, dass sie auch glücklich ist, obwohl man in den blauen Augen von Liv Ullmann sehen kann, dass sie es nicht ist.
So beginnt eine der berühmtesten Rosenkriege der Film- und Fernsehgeschichte. Es ist eine so vielschichtige Charakterstudie mit so authentischen Darbietungen und scharfen Dialogen, dass ihre Bedeutung von den ersten quasi-idyllischen Minuten an nicht zu leugnen ist. Die zwei werden einander bekriegen, dann lieben, dann wieder bekriegen, während sie durch die Jahre gehen, auf der Suche nach einer sicheren Ecke wie nach einem Boxkampf zwischen den Runden. Es empfiehlt sich, die sechs Folgen, die bis Mitte Dezember 2022 in der arte Mediathek verfügbar sind, in kleinen Einheiten anzuschauen. Nachdem man sich gedemütigt, geschlagen und versöhnt hat, bleibt am Ende nur noch eine erschöpfte Umarmung (und der Hinweis auf Hagai Levis Aktualisierung in der Miniserie Scenes from a Marriage).

Zweieinhalb Jahre haben wir auf die Fortsetzung von Euphoria (Sky) gewartet, und jetzt, nach zwei nachdenklicheren Szenen einer Ehe-ähnlichen, intimen Episoden im vergangenen Sommer, kehrt das Teenagerdrama zum Standardprogramm zurück, für das es berüchtigt ist. Es dauert nicht lange und man sieht einen blutverschmierten Penis, eine Drogenüberdosis und einen eingeschlagenen Schädel. Die allerersten Momente der zweiten Season spielen sich wie der Anfang eines Gangsterfilms ab. Zendayas drogensüchtige Antiheldin, die zarte Rue, erzählt die Hintergrundgeschichte ihres Drogendealers Fezco (Angus Cloud) und der Beziehung zu dessen Gangster-Oma (Kathrine Narducci aus The Irishman und The Sopranos). Der eingangs erwähnte Penis gehört einem Zuhälter, auf dessen Oberschenkel sie gerade geschossen hat. Untermalt mit Harry Nilssons „Jump Into the Fire“ (das in der Helikopter-Szene von GoodFellas verwendet wurde) zollt Sam Levinson, Schöpfer, Autor und Regisseur von Euphoria, ganz offensichtlich Martin Scorsese seinen Tribut.
In acht neuen Folgen erforscht er in Rückblenden auch die Generation, die die Euphoria-Kinder geprägt haben, nämlich die Eltern, die zuerst die Kontrolle über ihre Kinder und dann über sich selbst verlieren. Wie immer gibt es hedonistische Jugendliche, die versuchen, den Schmerz des Lebens mit Pillen, Alkohol und Sex zu betäuben. Zendaya porträtiert Rue weiterhin als junge Frau, die in ihrem eigenen Nihilismus gefangen ist. Und wenn sie vom Drahtseil, auf dem sie tanzt, stürzt und hart landet (herausragend: Episode 5), nimmt die populäre junge Schauspielerin auch diese Aufgabe mit scheinbarer Leichtigkeit an.
Im Jahr 1967 erzählte Stanley Kramer mit Guess Who‘s Coming to Dinner (Amazon, Apple TV+) die Geschichte einer jungen weißen Frau (Katharine Houghton), die ihren schwarzen Verlobten, gespielt von Sidney Poitier, mit nach Hause bringt. Die vermeintlich aufgeschlossenen Eltern (Spencer Tracy und Katherine Hepburn) sind zunächst schockiert, aber am Ende des Films fallen einander alle in die Arme, was darin gipfelt, dass der – liberale – weiße Patriarch seinen Segen erteilt und alle vor Dankbarkeit in Tränen ausbrechen (fünfzig Jahre später zeigte Jordan Peeles großartiges Regiedebüt Get Out, dass die Dinge nicht immer so gut ausgehen).
Poitier engagierte sich im echten Leben nicht nur für die Bürgerrechtsbewegung, sondern seine Auftritte waren per se eine Form des Aktivismus. Das hatte damit zu tun, dass er einer der wenigen schwarzen Schauspieler war, die Hauptrollen in Mainstream-Filmen bekamen, aber wichtiger als die Rollen, die er übernahm, war, wie er sie gespielt hat. Einige Kritiker fanden Kramers Komödie langweilig und zuckerhaltig. Es war ein kommerzieller Hit, der die liberalen Neigungen des Mainstream-Hollywood in einem Jahr verkörperte, als revolutionärere New Hollywood-Filme wie The Graduate und Bonnie and Clyde ins Kino kamen.
Ein Film, der das alte und neue Hollywood verband, war Paper Moon (Sky, Amazon, Apple TV+). Der Ton, den Peter Bogdanovich anschlug, war weder eine Nachbildung der Ästhetik der 1940er Jahre, noch entsprach er der New-Hollywood-Methode seiner damaligen Kollegen. Es war sein dritter kommerzieller und kritischer Erfolg in den frühen Siebzigern, 1973 um genau zu sein, und in vielerlei Hinsicht eine Kombination seiner ersten beiden. Es hatte die Schwarz-Weiß-Retro-Kinematographie (1973 drehte sogar Bergman in Farbe) seiner John-Ford-Ode The Last Picture Show, zusammen mit der unverblümten Torheit seiner Howard-Hawks-Hommage What’s Up, Doc?.
So sehr Bogdanovich mit Paper Moon (und The Last Picture Show) liebevoll in die Vergangenheit zurückblickte, er schwelgte nicht nur in Nostalgie. Die Bilder haben eine härtere Kante. Ryan O’Neal spielt einen krummen, sympathischen Bibelverkäufer, der mit einer rotzfrechen Begleiterin, gespielt von seiner Tochter Tatum O’Neal, durch die Wüste von Kansas fährt. Sie war nur zehn Jahre alt, als sie für die Rolle einen Oscar gewann. Als sie im Smoking mit Fliege und kurzen Haaren auf der Bühne stand, hielt sie eine fantastisch schnörkellose Rede, von der sich Erwachsene etwas abschauen können: „Alles, was ich möchte, ist mich bei meinem Regisseur Peter Bogdanovich und bei meinem Vater bedanken. Dankeschön.“