Aufschlussreiche Brüche

Streaming-Tipp KW 8: „You People”

Barris, Hill, You People
You People, 2023, Kenya Barris

„You People”: Trotz einer leeren RomCom-Hülle und entsprechend mäßigem Anklang bislang lohnt sich die Komödie von Kenya Barris, u.a. mit Eddie Murphy und Jonah Hill (der auch am Skript mitgeschrieben hat) – auf Netflix.

Culture-Clash-Komödien sind ein schwieriges Genre. Der Witz speist sich aus den Klischees über die jeweilige Gruppe, die mit einer anderen zusammenprallt und die eigentlich überwunden werden sollen. Damit gelacht werden kann, muss also aufgerufen werden, was sich eigentlich auflösen soll im Wissen darum, dass wir alle Menschen sind und so weiter. Deswegen sind Culture-Clash-Komödien nicht nur eine schwierige Sache, sondern immer wieder auch interessant. Aufschlussreich aber ist nicht die Harmonie, die am Schluss genretypischerweise Einzug halten soll. Aufschlussreich sind die Brüche. Und lustig ist es halt auch und im Idealfall vor allem.

You People zum Beispiel. Ein tapsiger jüdischer Podcast-Moderator mit einer Leidenschaft für HipHop (Jonah Hill) verliebt sich in eine schwarze muslimische Frau (Lauren London), es soll geheiratet werden. Wie und warum, also was die beiden aneinander finden, erfährt man nicht so recht. You People interessiert sich eigentlich auch gar nicht für das Paar. Das RomCom-Format ist hier nur Hülle. Im Zentrum stehen der Vater der Braut (Eddie Murphy) und die jüdische Mamme (on fire: Julia Louis-Dreyfus), die beide auf ihre jeweils eigene Weise Terror entfalten. Papa Akbar still bedrohlich, aber mit großem Aufwand in dem Versuch, seinem zukünftigen Schwiegersohn einzubläuen, dass sein Interesse an black culture insgeheim rassistisch ist und er nicht in die Welt gehört, die er, Akbar, für die Welt seiner Tochter hält. Und Shelley fuhrwerkt als modernes, agiles Jewish-Mama-Klischee zuerst im Beziehungsleben ihres Sohnes rum, um dann seine große Liebe als irgendwie hippe Bereicherung der Familie in Gebrauch zu nehmen. Und ständig, im Verbund mit ihrem Mann (bezaubernd phlegmatisch: David Duchovny) über Black Lives Matter, Braids und Xzibit zu sprechen. Während der Sohn vor Peinlichkeit im Boden versinkt und die zukünftige Schwiegertochter zunehmend angesäuert wirkt. Die Kaskade an komischen Fremdschäm-Momenten hat immer wieder Meet the Fockers-Qualitäten.

You People ist in den Hochgeschwindigkeitsdialogen bis obenhin vollgepackt mit popkulturellen und sonstigen Referenzen, die auch dann Spaß machen, wenn man geschätzt nur ein Drittel erkennen und zuordnen kann. Schön auch, wie krass das Drehbuch von Jonah Hill und Regisseur Kenya Barris (verantwortlich u.a. für die sehr lustige Netflix-Serie #BlackAF) immer wieder vorgeht. Gute Holocaust-Witze, die sich irgendwie nicht im Ton vergreifen (eine Kontextfrage vor allem – im deutschsprachigen Kino klänge vergleichbares dumm und übergriffig), Louis-Dreyfus wiederum fackelt versehentlich die Kufiya von Eddie Murphy ab. Alles sehr kurzweilig.

Als RomCom ist You People aber leider völlig unbrauchbar. Hill und London bleiben als Paar eine Art Leerstelle, nichts funkt, der Film ist so verliebt in sein Thema, dass alles andere ihn schlicht nicht interessiert. Wenn es romantisch werden soll, wird ein übers Normalmaß käsig-schwülstiger Soundtrack draufgepappt, damit Zuschauerin und Zuschauer realisieren, was gerade passiert, gefühlsmäßig. Oder es ist ein bewusst selbstironischer Zugang zum eigenen Genre.

You People lohnt sich trotzdem, weil er die Bruchstellen zeigt. Wenn die beiden zunehmend voneinander angepissten Elternpaare sich darüber streiten, ob man Sklaverei und Shoah miteinander vergleichen kann. Oder wenn der Louis-Farrakhan-Anhänger Akbar antisemitisches Zeug von sich gibt. In vielen Momenten ist der Film klärend und teilt gleichmäßig nach alles Seiten aus. Am besten aber schaltet man ihn circa eine Viertelstunde vor Schluss ab. Das Ende ist über alle Maßen zwangsharmonisch – alle tanzen miteinander – und so schlecht geschrieben, dass man You People den postulierten Frieden nicht abnehmen kann. Übrigens eine misslungene Schlussvolte, die man aus vielen bis dahin subversiv gestimmten Komödien kennt. Alles was aufgerissen wurde, muss in der Schlusskurve wieder zugekleistert werden. Insgesamt trotzdem sehr entertaining, der Film. Und der Soundtrack ist großartig.

 

You People
USA 2023, Regie Kenya Barris
Mit Jonah Hill, Lauren London, Eddie Murphy, David Duchovny, Nia Long, Julia Louis-Dreyfus
Laufzeit 117 Minuten