„A Murder at the End of the World”: ein weiblicher Poirot im Zeitalter der Tech-Schurken – Miniserie auf Disney+
Viele kennen die Schauspielerin Emma Corrin als junge Prinzessin Diana aus dem Netflix-Kronjuwel The Crown. Ihre neue Rolle könnte nicht weiter davon entfernt sein. In der Krimiserie A Murder at the End of the World spielt sie einen neurotischen Hercule Poirot für das Tech-Zeitalter. Dabei verknüpft der Siebenteiler recht elegant zwei aktuelle Trends: das Whodunit im Stil von Agatha Christie und Künstliche Intelligenz. Rian Johnson, der regierende US-Meister des retroseligen Krimis, hat uns zuletzt Benoit Blanc (Knives Out) und Charlie Cale (Poker Face) geschenkt. Jetzt bekommen wir Darby Hart. Da die Schöpfer der Serie Zal Batmanglij und Brit Marling sind, die beiden Köpfe hinter der Mystery-Serie The OA (die grausamerweise nach zwei Staffeln eingestellt wurde), war nichts Konventionelles zu erwarten.
Exzentrische Tech-Milliardäre sind die Schurken du jour, und so spielt Clive Owen den von Elon Musk und/oder Mark Zuckerberg inspirierten CEO Andy Ronson, der gemeinsam mit seiner Hackerfrau Lee (Brit Marling) einige der besten Köpfe der Welt zu einem geheimen Gipfeltreffen in sein futuristisches Winterhotel nach Island einlädt. Auf der Gästeliste stehen unter anderem eine Architektin, eine Astronautin und die 24-jährige Krimiautorin/Hackerin Darby Hart, gespielt von Corrin.
Ronson glaubt, dass ein originärer Gedanke mehr darüber entscheidet, ob es eine Zukunft für die Menschen gibt, als Öl oder sogar Wasser. Und so tauschen die neun Visionäre, am Ende der Welt zwischen Eisbergen und Schneestürmen, große Ideen aus, diskutieren über die Feinheiten des Klimawandels oder den Nutzen des Überwachungskapitalismus und erträumen sich neue Wege die Welt zu retten.
Weil es sich hierbei um ein Whodunit handelt, dauert es selbstverständlich nicht lange, bis einer der Gäste tot it. Eine Überdosis, sagt der Milliardär. Es war Mord, behauptet Darby Hart. Schließlich hat die Hobby-Detektivin, die auch als „Gen Z Sherlock Holmes“ bezeichnet wird, Erfahrung mit solchen Dingen, auch wenn ihr kurz getragenes, rosafarbenes Haar das nicht vermuten lassen würde. Ihre Einladung zu dem ultra-geheimen Treffen ist dem Erfolg ihrer jüngsten True-Crime-Memoiren zu verdanken, in denen sie die Verfolgung eines Serienmörders mit Hilfe ihres ersten Freundes (ein großartiger Harris Dickinson) schildert.
Mehr von der Handlung braucht es nicht und würde Spaß kosten. A Murder at the End of the World springt immer wieder in die Vergangenheit, wo sich eine schöne Noir-Liebesgeschichte in dunstigen, neonbeleuchteten Motels abspielt, unterlegt mit dem Sound von Annie Lennox. Vieles kommt einem zu Beginn bekannt vor, aber wer sich vor Augen hält, wer diese Serie verantwortet, kann davon ausgehen, dass hier ein smarter Twist versteckt ist.
Der Siebenteiler beschäftigt sich mit einigen relevanten Themen unserer Zeit, mit Gewalt gegen Frauen etwa, mit der Faszination für „alternative Intelligenz“, sprich KI, und mit der tiefen Angst vor klimabedingten Katastrophen. Es gibt auch einen Hauch von Science-Fiction, da Andy Ronson Technologie einführt, die leicht über die Grenzen dessen hinausweisen, was derzeit möglich ist – wie eine hochmoderne KI namens Ray (Edoardo Ballerino), die von Ronson als persönlicher Assistent, Lehrer und Therapeut verkauft wird.
Clive Owen ist ein angenehmer Zeitgenosse und spielt den eingebildeten Größenwahnsinnigen patent, aber das Hauptaugenmerk liegt hier auf Emma Corrin. Ihre Darby Hart muss sich nicht vor ihren männlichen Vorbildern verstecken. Im Gegenteil: Hercule Poirot, Sherlock Holmes, Benoit Blanc und wie sie alle heißen, würden vor Neid erblassen.