Gesunde Wut

Ein kapitales Vergnügen: „Knives Out 2“ – ab 23.12. auf Netflix

Johnson, Knives Out 2
Glass Onion: A Knives Out Mystery, 2022, Rian Johnson

„Glass Onion: A Knives Out Mystery“: Ex-Bond Daniel Craig wird hoffentlich bald ikonisch als Privatdetektiv Benoit Blanc.

Um es vorwegzunehmen, Glass Onion ist einer der unterhaltsamsten und trotz seiner fast zweieinhalb Stunden Laufzeit kurzweiligsten Filme des laufenden Jahres. Eine Kontinuität zum ersten, ebenfalls ungeheuer entertaining ausgefallenen Knives Out-Film: Die Intelligenz der Konstruktion überträgt sich auf Zuschauerin und Zuschauer. Man ist, um es einmal hochgestochen zu formulieren, identifiziert mit dem Blick des Privatdetektivs Benoit Blanc (Daniel Craig in seiner hoffentlich in naher Zukunft, James Bond hin, James Bond her, ikonischen Rolle), der Schlüsse und Verbindungen zieht und versucht, die Rätsel um die Motive der Anwesenden und den Ablauf des Verbrechens zu lösen. Ein Film, der die Intelligenz des Publikums nicht mittels schwierigen Verrätselungen, sondern mit sehr eleganten Rätsellösungen mobilisiert.

Dann ist das Sequel auch noch um einiges lustiger als der erste Knives Out. Und letzterer war bereits mit einem ganzen Wurf skurriler Charaktere bevölkert, die so angelegt waren, dass der Cast zahlreiche Gelegenheiten hatte, sich schauspielerisch auszutoben. Auch an dem Punkt legt Glass Onion noch eine Schippe drauf. Gemordet wird hier unter einer Gruppe ehemaliger Freunde, die inzwischen nur noch durch Geld, gegenseitige Abhängigkeit, Schuld und Lügen miteinander verbunden sind. Und mittendrin der Detektiv, vor dessen Augen sich nicht nur die Motivlage entfaltet, sondern auch eine ganze Parade von Arschlöchern vorbeizieht.

In diesem Aspekt ist der Subtext dieses Films enthalten, der bereits im ersten präsent war, wenn auch eher verborgen: Die Drehbücher von Regisseur Rian Johnson sind von einer spürbaren Wut auf reiche Menschen beseelt, in dem Wissen, dass man in einer kapitalistisch organisierten Gesellschaft nur an große Mengen Reichtum kommt, wenn man Geld und Kapital anderen entwendet oder sie ohne nennenswerte Gewissensbisse ausbeutet. Diese gesunde Wut schlägt in Glass Onion noch ungebremster durch, inklusive einer sehr lustvoll inszenierten Zerstörung der Milliardärsvilla. Edward Norton, wie alle anderen hier in Hochform, trägt das Übrige dazu bei, indem er das reiche Arschloch als stumpfen, Elon-Musk-förmigen Soziopathen spielt, und gerade nicht als Parodie. Wo es ja von Jahr zu Jahr schwerer wird, die herrschende Klasse mit den Mitteln der Kunst zu parodieren. Insofern würde dieser Film auch sehr gut als Double-Feature mit Triangle of Sadness (unsere Besprechung) funktionieren.

Das Böse hat hier nichts Sinistres oder Mondänes, sondern ist vollends banal. Und der Mord geschieht nicht einmal mehr aus Leidenschaft. Wie schon im ersten Teil sind die Motive aller Beteiligten – Benoit Blanc und seinen erneut weiblichen Sidekick (dieses Mal gespielt von Janelle Monáe) ausgenommen – vollkommen schäbig. Und wenn auch die Raffinesse der Lösung wieder einmal beeindruckt, macht Glass Onion sich den Spaß, den Mörder als tumben Vollidioten zu porträtieren, der dem Detektiv die Lösung schwermacht, gerade weil seine Aktionen ungemein dumm sind. Ein Arsch halt, aber anders als im ersten Teil eben auch ein dummer Arsch – was dann auch das Wort ist, das in diesem Film in verschiedensten Variationen am häufigsten fällt.

Damit ist Glass Onion zum einen eine erneut berauschend intelligent gebaute Hommage an die große Tradition des Whodunit (inklusive eines sehr schönen Gastauftritts der im Oktober 2022 verstorbenen Mord ist ihr Hobby-Akteurin Angela Lansbury). Darüber hinaus zerlegt der Film zornig die aktuelle Ausprägung des Sozialcharakters des jungen Aufsteigers, der buchstäblich über Leichen geht und hier wahlweise in den Bereichen Hightech, Politik, Influencertum oder Mode reüssieren kann. Dagegen steht der abgeklärte, unkorrumpierbare Privatdetektiv. Insofern ist der zweite Knives Out-Film sozusagen strukturell nicht zuletzt eine Art Film Noir. Was man nur nicht gleich merkt, weil er vor allem hochkomisch ist.

 

Glass Onion: A Knives Out Mystery
USA 2022, Regie und Drehbuch Rian Johnson
Mit Daniel Craig, Edward Norton, Dave Bautista, Janelle Monáe, Kate Hudson, Jessica Henwick
Laufzeit 140 Minuten