Schmerzfreunde

Die Tragikomödie „The Banshees of Inisherin“ – neu im Kino (AT, DE)

McDonagh, Banshees of Inisherin
The Banshees of Inisherin, 2022, Martin McDonagh

„The Banshees of Inisherin“ von Martin McDonagh sieht wie Gott auf seine störrisch-toxischen Männerfiguren auf zwei kargen irischen Inseln.

Wenn Liebesbeziehungen auseinandergehen, kann man sich ohne Weiteres im Kino informieren. Wie das aussieht, welches Verhalten, welche Probleme und Lösungen als adäquat, falsch oder komisch gelten, und überhaupt, welche kulturell eingefleischten Erzählmuster in so einem Fall vorliegen und abrufbar sind. Am besten schaut man sich einfach zum achten Mal Michael Gondrys Eternal Sunshine of the Spotless Mind an, da ist eigentlich alles drin.

Anders verhält es sich, wenn Freundschaften ihr Ende finden. Zu dem Thema gibt es nur wenige Filme. Vielleicht auch weil Freundschaften, anders als Liebesbeziehungen, meist nicht „zerbrechen“, wie man so sagt, sondern sich unspektakulär verlaufen. Der eine zieht woanders hin, oder man verliert vor Ort sukzessive das Interesse aneinander. Wenn Freundschaften aufhören, dann zumeist nicht definiert, sondern weil der eine oder auch beide sich irgendwann schlicht nicht mehr melden. Und wenn etwas einfach so aufhört, lässt sich das, so rein vom Motiv her, nicht sonderlich gut erzählen.

Michael McDonagh (Brügge sehen… und sterben, Three Billboards Outside Ebbing, Missouri) hat nun – in seinem ersten Film seit fünf Jahren – das Ende einer Freundschaft ins Zentrum gesetzt, die sich schon durch die klare Ansage vom gängigen Normalfall unterscheidet: In The Banshees of Inisherin teilt Colm Doherty (Brendan Gleeson) Pádraic Súilleabháin (Colin Farrell) mit, dass er nicht mehr mit ihm zu sprechen wünscht. Er sei nämlich langweilig. Der sozusagen Verlassene ist fassungslos, hält das Ganze für einen Aprilscherz und lässt auch dann nicht ab, als Colm droht, sich einen Finger abzuschneiden, wenn Pádraic ihn noch einmal anspricht und weiter belästigt.

McDonagh, Banshees of Inisherin

Im weiteren Verlauf eskaliert es dann mehr und mehr, vor der rohen, wunderschönen Kulisse der irischen Inseln Árainn und Acaill, die hier zur Insel Inisherin werden. Alles ist groß an diesen Bildern: die Klippen, die karge Landschaft, die sakrale Musik, die das Geschehen ins Existenzialistische drängelt. Colm hat so etwas wie eine Midlife Crisis, getrieben vor der Angst, dass er nichts hinterlassen wird, wenn er sich weiter das simple Pub-Gerede seines Freundes anhört. Er will der Welt als Komponist in Erinnerung bleiben. Die Andeutungen, dass er die Privatfehde nutzt, um sich abzulenken oder vor sich selbst zu verbergen, dass es mit dem eigenen Genie so weit dann auch nicht her ist, drängt sich sehr auf. Ein Violinist, der der Nachwelt wirklich über seine Musik erhalten bleiben will, säbelt sich bestimmt nicht die Finger ab.

Ob diese ganze Geschichte mit all ihrer drückend-kärglichen Depressivität, die immer wieder von einem vielleicht schon zynischen Humor durchbrochen wird, funktioniert, entscheidet sich hier mehr noch als sonst an der jeweiligen Zuschauerin und am jeweiligen Zuschauer. Mehr noch als sonst, weil sich die Mischung, die Michael McDonagh auffährt, aus mehreren Tonalitäten zusammensetzt. In das Komödiantische dieses Films grätscht immer wieder eine behauptete existenzielle Schwere, die Tragik des Geschehens wird immer wieder von Witzeleien perforiert und als Charakterstudie funktioniert das alles nur bedingt, weil die Figuren dafür bewusst zu klischiert sind. Den Eindruck, dass hier jemand von oben, aus der an einer zentralen Stelle dann auch wirklich von der Kamera eingenommenen Gottesperspektive auf seine Figuren schaut, kann man schlecht abwehren. Alle störrisch, toxisch und blöd, aber immer wieder lustig anzusehen. Das hat schon was von Hinterwäldler-Verarsche, was man beim ersten Sehen vielleicht nicht merkt, weil der Film sich selbst, so wirkt es, für unheimlich intelligent hält; und also für zu fein für simples Nach-unten-treten.

So wirkt auch The Banshees of Inisherin wie schon zuletzt Three Billboards Outside Ebbing, Missouri seltsam kühl (von McDonaghs misslungenen 7 Psychos ganz zu schweigen). Und bei aller Bedeutsamkeit und Aufladung mit den ganz großen Themen (dass die schwachsinnige Fehde der beiden Sturköpfe sich irgendwie auch auf kriegerische Konflikte übertragen lassen soll, drängt einem The Banshees of Inisherin geradezu auf) ist das eben auch nicht plausibel erzählt. Die Volte, dass sich hier einer die Finger abhackt, um einen Kontaktabbruch zu erzwingen, funktioniert zum Beispiel weder als Metapher noch als Plotpoint besonders gut. Was an sich kein Problem wäre, würde der Film nicht in seiner Bild- und Klanggestaltung geradezu ununterbrochen ein Maximum an emotionaler Intensität behaupten.

Nach dem Ende von The Banshees of Inisherin bleibt der Eindruck, dass hier ein Film mehr behauptet, als er am Ende dann tatsächlich zu erzählen weiß. Was schade ist, wenn sich ein Filmemacher schon mal des schmerzhaften Themas annimmt, das ein Ende von Freundschaften eben auch bedeuten kann.

 

The Banshees of Inisherin
Irland/USA/UK 2022, Regie Martin McDonagh
Mit Colin Farrell, Brendan Gleeson, Kerry Condon
Laufzeit 114 Minuten