Jeanne du Barry

Maitresse Maïwenn trifft den depravierten König Depp – im Kino.

Maïwenn, Jeanne du Barry
Jeanne du Barry, 2023, Maïwenn

„Jeanne du Barry“ eröffnete das jüngste Filmfestival von Cannes. Die begnadeten, aber zuletzt skandalträchtigen Maïwenn und Johnny Depp erwecken ein signifikantes Frauenschicksal des 18. Jahrhunderts zum Leben.

Sie inspirierte ein Musical von Cole Porter, eine Operette von Karl Millöcker, einen Manga von Riyoko Ikeda; sie wurde oftmals gemalt und ihr Leben zahlreich verfilmt – aber was nutzt der Lebenden der Nachruhm?

Geboren wurde Marie Jeanne Bécu 1743 in ärmlichen Verhältnissen als uneheliche Tochter einer Näherin und (mutmaßlich) eines Mönchs. Nachdem sie jedoch als Kurtisane in der adligen Gesellschaft von Paris von sich Reden gemacht hatte, wurde sie König Ludwig XV. vorgestellt, wusste ihre Chance zu nutzen und stieg schließlich als Madame du Barry zu dessen letzter von vielen Mätressen in der Nachfolge der glanzvollen Madame de Pompadour (1721-1764) auf. Der König starb 1774 an den Pocken, die du Barry wurde am 8. Dezember 1793 im Nachgang der französischen Revolution durch die Guillotine hingerichtet.

Die Schauspielerin, Drehbuchautorin, Regisseurin und Produzentin Maïwenn hat dieses Frauenschicksal nun mit sich selbst in der Titelrolle verfilmt. Als Eröffnungsfilm der diesjährigen Filmfestspiele von Cannes erregte Jeanne du Barry – an Originalschauplätzen gedreht und ein im besten Sinne opulenter Kostümschinken – einiges Aufsehen. Allerdings weniger aufgrund seiner künstlerischen Verdienste als vielmehr, weil sowohl Maïwenn als auch der in der Rolle des Königs besetzte Johnny Depp sich zuletzt mit mangelnder Impulskontrolle und resultierenden Skandalen in der Öffentlichkeit unmöglich gemacht hatten. Letzterer hat sich bekanntermaßen mit seiner Ex-Frau vor Gericht darüber gestritten, wer wem mehr angetan hat; erstere wurde vor ein paar Monaten in einem Pariser Restaurant einem Journalisten gegenüber handgreiflich. Und während Maïwenn damit ihren Ruf als Exzentrikerin einmal mehr bestätigte, ruinierte Depp seine Karriere (zum Rosenkrieg Depp v. Heard erscheint dieser Tage ein Dokumentarfilm auf Netflix; Besprechung folgt).

Maïwenn, Johnny Depp, Jeanne du Barry
Johnny Depp, Maïwenn

Von einem „bemühten Comeback“ war denn auch die hämische Rede, dabei macht der einstige Disney-Star als alternder, phlegmatischer, in die Breite gehender Lüstling seine Sache gar prächtig. Und Maïwenns lebhaftes Temperament steht ihrer ebenso unbekümmerten wie berechnenden Aufsteigerin recht gut zu Gesicht. Dass die Funken zwischen den beiden spärlich bis verhalten fliegen, mag seine Ursache nicht so sehr in mangelnder Chemie zwischen den beiden Schauspieler:innen haben, als eher den Zwängen geschuldet sein, denen die Figuren gesellschaftlich unterliegen. Die illegitime Abkunft der du Barry ebenso wie ihr vormaliger Beruf galten dem Hof als schlichtweg zu skandalös und der König konnte in der Zurschaustellung seiner Zuneigung immer nur gerade so weit gehen. Dass um den einen einzigen Satz, den Marie Antoinette, die Frau des Thronfolgers, jemals an die Mätresse richtete – „Il y a bien du monde aujourd’hui à Versailles“ (Es sind heute viele Leute in Versailles) –, ein derart großes Gewese gemacht wird, ist nicht lediglich eine das Heute belustigende historische Anekdote. Es kristallisieren sich an diesem Eiertanz der „First Ladies“ rund um die angemessene Etikette ebenso adeliger Standesdünkel wie Möglichkeiten und Grenzen des Aufstiegs.

Die neuere Geschichtsforschung interpretiert die Rolle der Mätresse des Königs als „eine Art Hofamt“; wer es geschickt anstellte, konnte es zu Macht und Einfluss und ihre Schäfchen ins Trockene bringen. Dass dies der du Barry nicht gelang, lag an ihrem Hintergrund, der, was eben noch als tolerabel galt, nach unten hin durchschlug. Die permanente Gefahr ihres Absturzes, die Angst davor, in Ungnade zu fallen und ersetzt zu werden, zieht sich denn auch wie ein roter Faden durch das mit pointiertem Witz gestaltete Geschehen. Insbesondere der groteske Zirkus des französischen Hofzeremoniells wird hier zum Ziel von Maïwenns Spott, und in Depp findet sie einen verschmitzten Mitverschwörer. Der Spaß, den die beiden dann miteinander an der Demontage von Herrschaftsritualen haben, täuscht jedoch an keiner Stelle darüber hinweg, dass unter dem Begriff der „Mätresse“ die Männer mit dem Körper der Frau Politik betreiben und sich die du Barry in dieser Hinsicht von dem ihr zum Geschenk gebrachten schwarzen Sklavenjungen Zamor – der sie später an die Wächter der Revolution verraten wird – kaum unterscheidet.

 

Jeanne du Barry
FR/UK/BE 2023, Regie Maïwenn
Mit Maïwenn, Johnny Depp, Benjamin Lavernhe
Laufzeit 113 Minuten