Gegen das Scheitern

True Story: „One of These Days“ – im Kino

One of These Days, 2020, Bastian Günther

Ein absurder Ausdauer-Wettbewerb als Brennspiegel der MacJob-Gesellschaft: „One of These Days“ von Bastian Günther.

Anderthalb Dutzend Menschen auf einem Autohausparkplatz haben die Hände an einem Pick-up-Truck, wer am längsten durchhält und nicht einschläft oder zusammenbricht, kriegt das Auto. Die Sonne brennt, Pausen sind kurz, schlafen darf man nicht. Spätestens nach einem Tag und einer Nacht machen sich unter den Teilnehmer:innen des Wettbewerbs erste Verschleißerscheinungen bemerkbar. Die Anspannung steigt, die ersten springen ab, anderen wird schlecht. Die Menschen zeigen sich nicht von ihrer besten Seite, sondern verhalten sich so beschissen wie die Situation eben auch ist. Am Ende eskaliert es.

Man kann so eine Geschichte auf verschiedene Weisen erzählen, zum Beispiel als Drama, in dem die Sympathien klar verteilt sind und man mitfiebern soll. Oder als True-Crime-Geschichte; One of These Days basiert auf einer wahren Begebenheit, 2015 verließ einer der Teilnehmer eines Hardbody Contests den Wettbewerb und… naja, man soll nicht spoilern… Regisseur und Drehbuchautor Bastian Günther versteht das würdelose Geschehen mit soziologisch ausgerichtetem Blick als Mikrokosmos, von dem aus man auf das große Ganze schließen können soll.

Günther hat als Dokumentarfilmer angefangen und war Regie-Assistent bei Christian Petzolds Gespenster. Beide Stränge werden in One of These Days in die amerikanische Provinz übertragen: eine dokumentarische Haltung gegenüber den Menschen vor der Kamera und die Kargheit und Depressivität der Berliner Schule. Wir sehen ein stilles, unspektakuläres Elend, alle hier haben Shitjobs und leben in einer Gegend, die wie ein Gewerbegebiet wirkt, in dem ein paar Menschen zurückgelassen und vergessen worden sind. Der lakonische, dezent eingesetzte Ambient von The Notwist – nach Michael Rother von Neu! (für Houston) und Howe Gelb (für California City) die dritte Zusammenarbeit Günthers mit Musikern, die die Bilder mit sehr zurückgenommenen und zugleich prägnanten Tönen unterlegen – tut sein Übriges.

One of These Days, Bastian Günther
Joe Cole

Bastian Günther vermeidet eindeutige Sympathieverteilungen. Alle strampeln sich ab, gegen das Scheitern, gegen die Einsamkeit. Zwei Figuren stehen im Zentrum: Kyle (Joe Cole) brät Burger und will den Pick-up-Truck gewinnen, um seine Kleinfamilie aus der Prekarität zu retten. Joan (Carrie Preston) ist die PR-Frau des Autohauses, das den Wettbewerb mitsamt Party für die johlende Menge veranstaltet und redet nahezu ununterbrochen im Werbeduktus, egal, ob es um die Arbeit oder ihre Tochter oder Online-Dating, also um das eigene, unglückliche Leben geht. Der eine weiß nicht, wie er seine Frau und das Baby durchbringen soll, die andere konstruiert Sensationelles, das von der schibbeligen Realität nicht gedeckt wird. Alle tun, was sie wohl tun müssen; bis zur Katastrophe am Ende, die, auch wenn die Motivlage nicht überdeutlich wird, nachvollziehbar sein sollte.

Leider trägt die Geschichte nicht ohne Längen über die zwei Stunden Filmzeit. In dieser Hinsicht sitzt One of These Days etwas zwischen den Stühlen. Die Zähigkeit der ganzen Quälerei wird nicht so konsequent gedehnt, dass sie sich auf Zuschauerin und Zuschauer übertragen würde. Aber straff erzählt ist der Film auch nicht. So leiert das Geschehen auf halber Strecke etwas aus und scheint nicht so richtig zu wissen, wohin mit sich. Leider macht Bastian Günther sein Anliegen dann auch noch überdeutlich: Man müsste die um den Pick-up-Truck versammelten armen Schweine nicht noch schief „Star Spangled Banner“ singen lassen – dass es hier nicht um Einzelschicksale, sondern um den Zustand einer Gesellschaft (beziehungsweise ihrer mehr und mehr abgehängten Provinz) geht, versteht man auch so.

Sehenswert ist One of These Days trotzdem. Die zentralen Figuren funktionieren wunderbar als Porträts von Menschen, die mit dem Leben und all seinen Unwirtlichkeiten kämpfen. Und Leben bedeutet hier nicht primär irgendwelche idealistischen Konstrukte. Nicht einmal Durchhalteparolen bekommen die Contestants hier noch zu hören, es geht nur noch darum, sich an etwas zu klammern, ein Auto in diesem Fall, in der Hoffnung, etwas davon zu haben. Im Zentrum stehen die entweder frustrierenden oder eben ärmlichen Arbeitsverhältnisse, die sich niederschlagen in den Familien, den Beziehungen und in dem verkrampften Versuch, dieser Welt ein wenig Glück oder zumindest so etwas wie Erfolg und Anerkennung abzuringen. Auch wenn man sich dann eben mal vor lauter Erschöpfung auf die Karosserie des Hauptpreises übergibt.

 

One of These Days
Deutschland/USA 2022, Regie Bastian Günther
Mit Joe Cole, Carrie Preston, Callie Hernandez
Laufzeit 121 Minuten