Gott und Gemetzel

M. Night Shyamalans „Knock at the Cabin“: besser als jeder Halloween-Horror – jetzt auf Sky

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Knock at the Cabin, 2023, M. Night Shyamalan

„Knock at the Cabin“: Paul G. Tremblays apokalyptischen Roman „The Cabin at the End of the World“ versieht M. Night Shyamalan in seiner verstörenden Adaption mit einer religiösen Volte.

In der Filmografie des Regisseurs M. Night Shyamalan findet man nach einem sensationell guten Aufschlag (The Sixth Sense) eine lange Strecke von Filmen, die aus guten Gründen nicht mehr auf weitgehend ungeteilte Begeisterung stieß (Signs, The Village, The Happening) und in eher katastrophischen Kinoerfahrungen (Lady in the Water, Die Legende von Aang, After Earth) mündete. Es bleibt schwer erklärlich, wie ein Filmemacher, der seine ästhetischen Mittel so erkennbar gut beherrscht, sich immer wieder so verrennen konnte. Aber vielleicht wird es ja in zwanzig Jahren oder so eine Rehabilitation der Filme Shyamalans geben, die heute gemeinhin als Gurken gelten.

Bis dahin kann man sich darüber freuen, dass Shyamalan sich spätestens mit Split (und eigentlich bereits mit The Visit) gefangen hat und wieder arg unterhaltsames, kopflastiges Horrorkino zustande bringt. Sein neuer Film Knock at the Cabin gehört zu seinen besten. Eine Hütte im Wald, eine Kleinfamilie in den Ferien, dann kommen die Psychopathen, brechen die Tür auf und beginnen Eltern und Kind zu traktieren. Eine sehr gut gelungene Variation über das Home-Invasion-Motiv, das hier nicht primär als Terrortheater ausgeschlachtet wird, sondern als eine Art religiöses Erbauungsstück erzählt wird.

M. Night Shyamalan hat immer wieder klassische Genreprämissen zum Ausgangspunkt genommen (ein Junge sieht Geister, die Aliens kommen, was mit Comic-Superhelden) und diese dann in sein eigenes filmisches Universum überführt. Dort geht es eigensinnig zu. Und religiös. Der letzte Aspekt wird in Knock at the Cabin so direkt ausgespielt wie bislang noch nie in Shyamalans Filmen. Knock at the Cabin beginnt wie Funny Games, nur nicht mit Sadisten als Gewalttätern, sondern mit religiös Erweckten, die auf die Familie losgehen, um die Apokalypse zu verhindern. Und freundlicher temperierter ist der Film dann auch. Shyamalan will sein Publikum nicht quälen, sondern etwas lehren. Was schon mal eine recht untypische Erzählhaltung für einen Horror-Regisseur ist.

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Ben Aldridge, Kristen Cui, Jonathan Groff

Die Eltern – Eric (Jonathan Groff) und Andrew (Ben Aldridge) – sollen entscheiden, wer von den dreien sterben und geopfert werden soll, nur so könne der Weltuntergang abgewendet werden. Zuerst erleben die beiden den Überfall als homophobes Hate Crime, als dann aber das Fernsehen von Tsunamis, Seuchen und abstürzenden Flugzeugen berichtet, kommen Zweifel auf. Die Frage, die Knock at the Cabin formuliert, ist nicht, wer wem die nächste Kniescheibe zertrümmert, sondern eine vergleichsweise abstrakte. Nämlich, ob die Erzählung sich am Ende auf die Seite der Apokalyptiker und damit auf die des Mythos schlägt, oder auf die Seite der kritischen Vernunft.

Letztere wird von Eric repräsentiert. Andrew ist von Anfang an ansprechbarer für die apokalyptischen Visionen, die Knock at the Cabin erst am Schluss eindeutig dem Wahn oder der Wahrheit zuschlägt. Einmal weil er, also Andrew, nach der ersten Prügelei mit den Angreifern, mit einer mittelschweren Gehirnerschütterung gefesselt in der Hütte sitzt und im Kopf nicht mehr ganz klar ist. Aber auch weil er, anders als sein mindestens mal agnostischer Ehemann, schon vor dem Einbruch der Gewalt in die Urlaubsidylle hin und wieder mal gebetet hat. Da ist der Weg dann nicht so weit.

(Ab hier wird stark gespoilert, sowohl den Film als auch dessen literarische Vorlage betreffend – sollten Sie Knock at the Cabin noch nicht gesehen haben, empfehlen wir die Lektüre an dieser Stelle abzubrechen, sich den Film anzusehen und sie dann wieder aufzunehmen.)

Shyamalans Perspektive auf die Geschichte wird besonders deutlich, wenn man sie mit Paul G. Tremblays Romanvorlage „The Cabin at the End of the World“ abgleicht. Der traut seinen Leserinnen nämlich mehr zu als die Verfilmung ihren Zuschauern. Und damit ist gar nicht die im Text sehr drastisch ausgewalzte Gewalt gemeint, die im Film ausschließlich im Off des Bildes stattfindet. Knock at the Cabin nimmt signifikante Verschiebungen vor, die nicht nur Abweichungen von der Vorlage bedeuten, sondern sie in gewisser Hinsicht in ihr Gegenteil verkehren. Eric opfert sich nicht, sondern bleibt am Leben. Am Ende verlassen beide gemeinsam den Ort des Geschehens und wissen genau so wenig wie Leserin und Leser, ob die Apokalypse nun stattfindet oder nicht.

Wie genau Shyamalans Verfilmung die Entscheidung zwischen Mythos und Vernunft fällt, soll an dieser Stelle offen bleiben. Nur so viel: Das zentrale niederschmetternde Moment von Tremblays Text interessiert den Autoren Shyamalan, der eben kein Agnostiker ist, nicht. In The Cabin at the End of the World ist das eigentliche Grauen nicht die Apokalypse, sondern die reale Gewalt, die die Menschen einander antun; verbunden mit einer existenziellen Unsicherheit (die Frage, mit welcher Wirklichkeit es Eric und Andrew es zu tun haben, bleibt, anders als von der Verfilmung, nicht ungeklärt) und dem Wissen darum, dass, falls es Gott gibt, er logischerweise ein grausamer Soziopath oder halt einfach ein ekelhafter Sadist sein muss.

Genau diese negative Theodizee klammert M. Night Shyamalan aus, um stattdessen ein positives Glaubensbekenntnis zu formulieren. Eine Volte, die einen beim Sehen nicht weniger durchschüttelt als Tremblays Ende beim Lesen (der Autor findet die Abwandlung auf der Leinwand sogar grausamer, „darker“ als seine eigene Version). Das Moment der sowohl radikal freien wie auch agnostisch fundierten Entscheidung der Romanfiguren – für den Zweifel und gegen einen möglicherweise existierenden Gott, der, wenn er denn tatsächlich existiert, den Menschen Fürchterliches antut – wird von M. Night Shyamalan einfach durchgestrichen. Zugunsten des Mythos, versteht sich.

 

Knock at the Cabin
USA 2023, Regie M. Night Shyamalan
Mit Ben Aldridge, Jonathan Groff, Kristen Cui, Dave Bautista
Laufzeit 100 Minuten