„Matrix Resurrections“ von Lana Wachowski ist ein vergnügliches, selbstreferenzielles Spiel mit Blockbuster-Erwartungen.
Irgendwann im ersten Drittel von Matrix Resurrections, kurz bevor Thomas Anderson erneut entdeckt, dass er Neo der Messias ist, sitzt er in der Badewanne, mit einer gelben Gummi-Ente auf dem Kopf. Es ist einer von einigen Momenten, die die Mythologie dieses Films und damit des gesamten Matrix-Universums um eine große Last erleichtern. Die bleierne Humorlosigkeit der ersten drei Matrix-Filme wird in Matrix Resurrections hin und wieder in sanfter Selbstironie aufgelöst. Wie überhaupt die Auferstehung 18 Jahre (60 in der Welt des Films) nach der Rettung Zions vor dem Angriff der Maschinen und einem porösen Frieden hier mit vielen selbstreflexiven Spielereien verbunden ist. Der Coffeeshop, in dem der inzwischen vollends depressive Thomas Anderson (Keanu Reeves spielt wie immer im Wissen um die Begrenztheit seiner Ausdrucksmöglichkeiten, und das inzwischen vollends wundervoll) seine verlängerte Mittagspause begeht, heißt allen Ernstes „Simulatte“, die Katze von Neos Therapeuten (Neil Patrick Harris, im routiniert soziopathisch-charmanten Pick-up-Artist-Modus) hört auf den Namen Déjà-vu.
Solche notorisch cleveren Albernheiten tragen einen über lange Strecken der natürlich wieder sehr verlaberten ersten Filmhälfte. Die Actionszenen (dieses Mal inklusive Zombie-Apokalypse) schließen an die Ästhetik der Trilogie an, variieren sie aber (über die Unterschiede zum ersten Matrix-Film hat Robert Wagner geschrieben). Damals war das freihändig aus John-Woo-, Martial-Arts- und Manga-Filmen zusammengemopste Bewegungsspektakel im Motion-Control-Modus wirklich neu. Allerdings fügt Matrix Resurrections eine Schicht Dreck hinzu. Neo trägt in dem „Keanu-Kracher“ (Bild-Zeitung) jetzt John-Wick-Fusselbart und lange Fetthaare und wirkt was den mut- und spannungslosen Körpertonus angeht wie eine Bündelung von einem Dutzend mittelschwerer midlife crises.
Es ist aber auch kein schönes Leben, das die Maschinen für den einstigen Retter der Matrix und der materiellen Wirklichkeit gebaut haben: Im Matrix-Update vegetiert Thomas Anderson als erfolgreicher, aber kreuzunglücklicher Spieleprogrammierer vor sich hin. Entwickelt hat er die Matrix-Games, visionäre Spiele, die so immersiv waren, dass sie die Grenze zwischen Realität und virtueller Wirklichkeit zum Verschwimmen gebracht haben sollen. Und im Groben dem Geschehen der ersten drei Matrix-Filme zu gleichen scheinen. Ach so, das neue Spiel, an dem Thomas/Neo eher lustlos rumprogrammiert, heißt „Binary“, der Konzern, für den er arbeitet, hihi, „Deus Machina“.
Einerseits macht Matrix Resurrections mit derlei Hinweisen und den nach wie vor hart an der Grenze zur Enervierung gelagerten Erklär-Dialogen alles überdeutlich. Andererseits verunklaren die endlosen Verweise und Schleifen alles immer wieder, und der stete Wechsel von bis in die letzte Fingerbewegung choreografiertem Action-Gerummse und turbokonstruktivistischen Monologen ist über zweieinhalb Stunden gedehnt dann auch wieder etwas ermüdend. Zumal man die ersten drei Matrix-Filme genau kennen muss, um sich überhaupt zurechtzufinden. Selbstironie und Selbstreferenzialität gehen hier zusammen mit einer Retro-Lust am Blockbuster-Kino der Neunziger-und Nullerjahre. Immer wieder schieben sich Bilder aus Matrix, Matrix Reloaded und Matrix Revolutions ins Geschehen von Matrix Resurrections (und wirken so montiert tatsächlich wie Bilder aus einem Computerspiel der 2010er Jahre). In der Konstruktion des Films sind es Flashbacks, die Thomas Anderson/Neo ereilen und gegen die er von seinem Therapeuten mit der Katze Déjà-vu (natürlich blaue) Pillen verschrieben bekommt. Matrix Resurrections erinnert Zuschauerin und Zuschauer immer wieder daran, wieviel Zeit seit dem Finale der Trilogie vergangen sind; und die einzigen wirklich unheimlichen Momente sind ein paar verschwommen inszenierte Bilder von Neo und Trinity, die zeigen, wie die beiden „wirklich“ aussehen.
Der von Matrix Resurrections formulierte Verdacht wird vom Film selbst nicht ausgeräumt: dass alles, was uns hier erzählt wird, auch die Erlöserphantasie eines psychisch angegriffenen Programmierers sein könnte, der an seiner eigenen Begabung, seiner Intelligenz und seinem grundlegenden Zweifel an der Welt verrückt geworden ist. Wenn es also stimmt, dass man Matrix am besten als die Verfilmung des „Inhalts des Zimmers eines wissbegierigen, ängstlichen und aufmüpfigen Jugendlichen“ versteht, ist dieser Jugendliche in Matrix Resurrections alt, aber nie wirklich erwachsen geworden. Er trägt das Wissen von damals weiter mit sich rum, kann aber nichts mehr damit anfangen, weil es in der Welt, in die er eingespannt ist – ein Büro, das einen Großteil des Lebens bestimmt, wie meist in diesem Fällen –, keinen Wert mehr hat. Matrix Resurrections zeigt, wie viel man in die Luft sprengen müsste, um die Phantasien von einst wieder plausibel werden zu lassen. Das überlegt man sich dann lieber zweimal beziehungsweise einfach gar nicht, weil das Kino das ja symbolisch und gefahrlos erledigt und einen in dieser Beziehung zumindest für den Moment entlastet.
USA 2021, Regie Lana Wachowski
Mit Keanu Reeves, Carrie-Anne Moss, Yahya Abdul-Mateen II, Jessica Henwick, Neil Patrick Harris, Jonathan Groff, Jada Pinkett Smith, Priyanka Chopra Jonas
Laufzeit 148 Minuten